Die Wahrheit: Dumme Hitlerjungs

Nur selten bekommt man einen Anruf von der Polizei. Bei diesem selten dämlichen Anruf fragt man sich allerdings, ob es tatsächlich die Polizei war.

Vor einigen Jahren, ich lebte damals in Braunschweig, bekam ich einen Anruf von einem Polizeihauptmeister oder Polizeiobermeister XY. Forsch fragte er: „Sind sie Hartmut El Kurdi?“ Ich antwortete: „Ja, worum geht’s?“

Er erklärte mir, dass in dem Viertel, in dem sich seine Dienststelle befinde, überall Plakate mit meinem Namen hängen würden. „Das hoffe ich doch“, sagte ich, „sonst erfährt ja keiner, dass ich in zwei Wochen in der Stadtbücherei aus meinem neuen Buch lese.“ – „Leider gibt es Probleme mit diesen Plakaten!“

Mein erster Gedanke war, dass engagierte, vielleicht auch übermotivierte Bibliotheksmitarbeiter die Umgebung der Bücherei komplett mit meinen Postern zugekleistert hatten. Womöglich waren dabei auch verbotene Flächen beklebt worden: Stromkästen oder Schaufensterscheiben leerstehender Läden. Aber es ging leider nicht um enthemmte Öffentlichkeitsarbeit.

„Einige ihrer Plakate sind beschmiert worden“, ließ mich der Polizist wissen. „Womit?“, fragte ich. „Ach … mit so … Symbolen …“ Das klang plötzlich sehr kleinlaut. Ich wartete gespannt auf Details. Die aber nicht kamen.

„Darf ich fragen, was für Symbole das waren?“ – „Na ja, so … Hakenkreuze und so …“, stammelte der Polizist. „Sonst noch was?“, fragte ich. – „So Wörter …“ Er nuschelte etwas Unverständliches in den Hörer. „Bitte?“, fragte ich nach. „Es war … irgendwas … mit Kanake …“ Und dann fügte er schnell hinzu: „Und jetzt wollte ich Sie fragen, ob Sie sich vielleicht vorstellen können, warum das jemand gemacht hat?“

Ich rätselte, was der eigentliche Zweck dieses Anrufs war. Da fuhr Inspektor Clouseau auch schon fort: „Ich meine, das hat doch bestimmt keinen politischen Hintergrund, oder?“

Ich versuchte, mir meine Verstörung nicht anmerken zu lassen und sagte ruhig: „Sie wissen schon, dass das Hakenkreuz ein Nazisymbol ist?“ – „Ja, sicher, aber in diesem Fall …“ – „Da malt also jemand Hakenkreuze und schreibt 'Kanake’ auf ein Plakat, auf dem eine Lesung mit dem Titel ‚El Kurdi spricht deutsch‘ angekündigt wird – und sie als Polizist bezweifeln, dass das einen politischen Hintergrund hat?“

Der Polizist antwortete mit der fast unschuldigen Gegenfrage: „Was glauben Sie denn?“ Ich atmete durch. „Na, ich würde mal vermuten, dass wir es hier mit Nazis zu tun haben. Mit Rassisten. Mit Rechtsradikalen …“

Es kam mir so vor, als hörte ich sein Kopfschütteln durchs Telefon: „Nee, nee, nee … Ich glaub ja eher, das waren so dumme Jungs.“ Ich antwortete: „Das mag ja sein, aber dann waren es dumme rechtsradikale Jungs. Hitlerjungs sozusagen.“

Er schwieg. Ich schwieg ebenfalls. Keine Ahnung wie lange. Irgendwann stürzte er hervor: „Na ja, dann ermitteln wir mal weiter. Ich denk nicht, dass das was Politisches ist. Schönen Tag noch, Herr El Kurdi.“

Ratlos stand ich mit dem Hörer in der Hand im Flur. Ich drückte auf „Rückruf“. Es meldete sich Schutzmann XY. Es gab ihn also wirklich. Ich legte auf.

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Autor, Theater-Dramaturg, Performer und Musiker. Hartmut El Kurdi schreibt Theaterstücke, Hörspiele (DLF / WDR), Prosa und für die TAZ und DIE ZEIT journalistische und satirische Texte. Für die TAZ-Wahrheit kolumniert er seit 2001. Buchveröffentlichungen (Auswahl): "Revolverhelden auf Klassenfahrt", "Der Viktualien-Araber", "Mein Leben als Teilzeit-Flaneur" (Edition Tiamat) / "Angstmän" (Carlsen) / "Als die Kohle noch verzaubert war" (Klartext-Verlag)

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kari

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