die dritte meinung
: Die Umweltaktivisten vom Hambacher Forst sind moderne Helden, sagt Ingo Arzt

Ingo Arzt

39, ist taz-Redakteur und schreibt über Klima und Kapitalismus. Großer Fan des Tegeler Forsts. Musste als Kind weinen, als im Garten ein Ahorn gefällt wurde.

Was zurzeit am Hambacher Forst geschieht, ist an Schwachsinnigkeit kaum zu überbieten. Der Energiekonzern RWE vernichtet einen alten Wald, um Braunkohle wegzubaggern. Obwohl längst klar ist, dass der Energieträger eine Klimasauerei ist, die schnellstmöglich aufhören muss. Seit Jahren besetzen immer wieder AktivistInnen den Wald, sie leben in Baumhäusern, um die Natur zu retten. Sie sind Helden.

Das ist kein naiver Reflex, der auf einfachen Freund-Feind-Schemata beruht: Hier der böse Konzern und die brutale Staatsmacht, dort die tapferen FreiheitskämpferInnen. Was die Ökobewegung schon immer stark gemacht hat, ist, dass sie zäh und ausdauernd ist und die Umweltsündergesellschaft von innen zerfrisst wie ein Borkenkäfer die Eiche. Sie besteht aus JuristInnen, PolitikerInnen, DemonstrantInnen, WissenschaftlerInnen, NGOs, sogar aus Investoren und Unternehmen.

Und sie besteht zu einem kleinen Teil aus irren Radikalen, die sich nicht um Widersprüche oder verkopfte Metadiskussionen kümmern, sondern einfach: machen. Sie sind in bestem Sinne verbohrt und teilweise militant, weil sie Sachbeschädigung in Kauf nehmen. Sie nehmen in Kauf, kriminalisiert, traumatisiert oder verletzt zu werden oder zu Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt zu werden.

Es ist eine Auseinandersetzung um die richtige Sache. Deutschland hat mit seiner Energiewende weltweite Öko-PR betrieben: Industrieland und Klimaziele, das geht zusammen. Jetzt drohen wir unsere Klimaziele bis 2020 zu verfehlen – ein fatales Signal an den Rest der Welt. Die Ziele der AktivistInnen im Hambacher Forst sind moralisch geboten. Es sind die Ziele unseres Landes und seit dem Pariser Klimaabkommen auch die der Weltgemeinschaft. Mehr Legitimation für zivilen Widerstand gibt es nicht – nur keine Gewalt gegen Menschen, das muss oberste Prämisse bleiben. Liebe WaldbesetzerInnen, würde es euch nicht geben, dann müssten andere euren Job machen. Nur gibt es wenige, die den Mut dazu hätten. Deshalb seid ihr unersetzlich.

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