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: Boliviens Präsident und sein Grundrecht auf ewige Macht

Einer erneuten Kandidatur von Boliviens Präsidenten Evo Morales im Jahr 2019 steht nichts mehr im Weg. Am Dienstag gab ihm das Verfassungsgericht in der Hauptstadt Sucre grünes Licht. Die Begrenzung der Amtszeiten öffentlicher Mandatsträgern auf maximal zwei Perioden ohne Unterbrechung verletze die politischen Grundrechte aller StaatsbürgerInnen. Die seien jedoch höher einzustufen als die Vorgaben der Verfassung, entschied das Tribunal und gab damit der Klage von Morales’ Kongressfraktion statt.

„Das ist ein Staatsstreich gegen die Demokratie“, wetterte Oppositionschef Samuel Doria Medina von der gemäßigten Unidad Na­cio­nal, der zweitstärksten Partei im Kongress. Morales wolle Bolivien in ein zweites Venezuela verwandeln. Die ehemaligen Präsidenten Jorge Quiroga und Carlos Mesa sprachen von einen „Bruch der demokratischen Ordnung“.

Pikanterweise begründete das Gericht seinen Spruch mit dem Artikel 23 der Amerikanischen Konvention für Menschenrechte der Organisation Amerikanischer Staaten. Der besagt, dass es bei Wahlen keine Beschränkungen geben darf. Bolivien habe die Konvention anerkannt, und die stehe als internationales Vertragswerk über der nationalen Verfassung, argumentierten die Richter. Seit Jahren wird die OAS von der bolivianischen Regierung als USA-hörige Veranstaltung kritisiert. Dass sie nun für Morales’ Wiederwahl herhalten muss, brachte OAS-Generalsekretär Luis Almagro in Rage. Die Konvention verleihe nicht das Recht, „ewig an der Macht zu bleiben“, so Almagro.

Ob beim Richterspruch alles mit rechten Dingen zuging, ist letztlich zweitrangig. Es geht um den Machterhalt – ein Weg dahin wird sich schon finden. Keiner brachte dies besser auf den Punkt als Vizepräsident Álvaro García Linera schon Anfang November: „Einige glauben, Evo werde nicht weitermachen. Brüder, der Präsident Evo wird wieder um die Stimmen der Menschen bitten und die werden sie ihm geben“, sagte García Linera bei einer öffentlichen Veranstaltung in der Provinz Santa Cruz.

Ob Morales 2019 an den Wahlurnen für eine vierte Amtszeit bestätigt wird, ist offen. Zwar hatte er 2005, 2009 und 2014 klar gewonnen, aber schon bei den Gouverneurs- und Kommunalwahlen im März 2015 begann sein Stern zu sinken. In acht der zehn größten Städte lag die Opposition vorne. Im Februar 2016 folgte die nächste Schlappe: Beim Referendum sprach sich eine deutliche Mehrheit gegen die Änderung des Paragrafen 168 der Verfassung aus, der für alle MandatsträgerInnen maximal zwei Amtsperioden in Folge erlaubt. Das hat jetzt das Gericht anders entschieden. Jürgen Vogt