Der Lichtskeptiker

„Res.o.nant“, eine begehbare Lichtinstallation von Mischa Kuball im Jüdischen Museum, macht zwei der fünf Hohlräume des Museumsgebäudes und ihre symbolträchtige Bauweise zugänglich

Mischa Kuballs Licht- und Klanginstallation im Jüdischen Museum Foto: Jüdisches Museum

Von Brigitte Werneburg

Einen Lichtskeptiker nennt sich Micha Kuball. Das erstaunt, denn der Düsseldorfer Künstler arbeitet mit Licht und auch mit Sound. Was ihn denn auch prädestiniert, die wiederentdeckten Voids im Jüdischen Museum mit Kunst zugänglich zu machen. Zwei der fünf den Museumsbau vertikal durchziehenden Hohlräume wurden jetzt freigeräumt, nachdem sie in den letzten Jahren dem Learning-Center Platz geboten hatten, das mit seinen Computern und Teppichen die Dramatik der rohen Sichtbetonschächte freilich gewaltig dämpfte. Sie vor allem waren das Ereignis bei der Vorbesichtigung des Neubaus durch beachtliche 350.000 Be­su­cher*innen. Wie bei der Eröffnung 2001 sollen die 24 Meter hohen Voids nach Wunsch der neuen Programmdirektorin Léon­tine Meijer-van Mensch in ihrer rohen Stärke und wirkmächtigen Symbolik wieder hervortreten.

Mit und gegen den Raum

Dieses Vorhaben unterstützt Micha Kuballs begehbare Licht- und Klanginstallation „res·o·nant“ absolut pointiert. Als Skeptiker und nicht Euphoriker des Lichts als Material der Kunst arbeitet der 58-Jährige – wie die seit Februar amtierende Museumsleiterin sehr richtig sagt – „mit dem Raum, nicht gegen ihn“. Und weil dieser von Daniel Libeskind speziell für das Jüdische Museum geschaffene Hohlraum für Kuball, wie er selbst sagt, nicht nur „die Unmöglichkeit des Darstellens“ ausdrückt, sondern von Anfang an „ein Klangraum“ war, in dem man den eigenen Köper hört, interveniert er hier ganz minimal sowohl mit Licht wie mit Ton.

Drehende Spiegelelemente locken in die graue Betonschleuse, an deren Ende eine Wand langsam rot aufglüht, bis Stroboskopblitze kalt dazwischengewittern und Nachbilder der Silhouetten der anderen Besucher auf der Netzhaut hervorrufen, die nur langsam verblassen. In den hochaufragenden Schluchten der Voids werfen währenddessen rotierende Projektoren deren Grundrisse als weiße Lichtfelder an die Wand, um dann einen Lichtkegel zu projizieren, der wie ein Suchscheinwerfer kreuz und quer übers sie hinwegwischt.

Mit „res.o.nant“ tritt das Jüdische Museum über die Schwelle des Hauses

Drei Lautsprecher

Über drei an den Projektoren befestigte Lautsprecher sind 60-sekündige Soundclips zu hören, die durch jeweils 30 Sekunden Stille voneinander abgesetzt sind. Mehr als 50 Musiker haben für die Installation Clips komponiert, darunter Gudrun Gut, Barbara Morgenstern und John Zorn, der mit dem Sound von zerberstendem und zertretenem Glas an den 9. November 1938 erinnert. Weitere Musiker sind über einen Open Call eingeladen, bis zum 31. Januar des nächsten Jahres ihren Beitrag für die Installation einzureichen. Da es geplant ist, alle Einreichungen in die Installation zu integrieren, wird die Soundschleife dann deutlich länger als bislang eine Stunde sein.

Mit „res.o.nant“ tritt das bekanntlich schwer bewachte Jüdische Museum ganz programmatisch über die Schwelle seines Hauses, denn wenn es dunkel wird, scheinen die Grundrisse der Voids auf dem Platz vor dem Gebäude auf. Dazu installiert sie Micha Kuball auch an anderen Orten in der Stadt, etwa am Mehringdamm oder am Potsdamer Platz. Gerade mit diesem Schritt markiert „res.o.nant“ den Auftakt der Neugestaltung des Jüdischen Museums. Die Voids werden dann eine Art Prolog-Raum für die neue Dauerausstellung werden, in der es, wie Léontine Meijer-van Mensch sagt, „eher filmisch zugehen wird“ und durchaus gegenwärtiger als bislang. Sie möchte den Dialog intensivieren, das Museum mehr in die Stadt rücken und verstärkt politische und gesellschaftliche Themen adressieren, was auch für die Sonderausstellungen gilt wie für das Einbeziehen der zeitgenössischen Kunst. Ein großartiger Anfang ist schon mal gemacht.

Bis Frühling 2019, Jüdisches Museum