heute in hamburg
: „Arbeit wird stärker überwacht“

Foto: Sofi Göttingen

Peter Birke 52, Vertrauensdozent der Rosa-Luxemburg-Stiftung, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Soziologie in Göttingen, Schwerpunkte Arbeit, Unternehmen und Wirtschaft.

Interview Jonatan Goldbach

taz: Herr Birke, wie drückt sich Klassenkampf in der Gegenwart aus? Gibt es ihn überhaupt noch?

Peter Birke: Auf jeden Fall ist es immer eine Frage, ob Klassen noch existieren und ob der Klassenkampf aktuell ist. Ich würde sagen: Ja, vor allem zunächst mal auf der Grundlage, dass die Unterschiede zwischen Arm und Reich immer größer werden, selbst in der Bundesrepublik, obwohl das im globalen Maßstab erheblich extremer ist. Wenn man Hamburg nimmt, sind die Gegensätze zwischen sozial schwachen und wohlhabenden Stadtteilen in den letzten 20 Jahren sicher größer geworden. Wir haben Stadtteile, in denen über 50 Prozent der Kinder als arm gelten.

Welche Auswirkungen hat die zunehmende Automatisierung in den Fabriken auf den Arbeitsmarkt?

Roboter und Maschinen werden mit allen möglichen Fantasien verbunden. Also einerseits die Fantasie von Robotern, die die Arbeitsplätze von Menschen übernehmen, auch die Arbeiten die eher unerwünscht sind. Ich würde sagen, dass es eher die Tendenz gibt, dass bestimmte Formen der Arbeit, gerade in den prekarisierten Bereichen, stärker überwacht werden.

Sind die Deutschen klassenbewusst?

Die Deutschen gibt es ja so nicht, sonst würden wir nicht über Klassen sprechen. Es gibt verschiedene soziale Klassen, es gibt Migrationsverhältnisse und Geschlechterverhältnisse. Die Bevölkerung ist ja durch alle verschiedenen Widersprüche gekennzeichnet, die sich in der einen oder anderen Form auch politisch ausdrücken, was linke emanzipatorische Bewegungen angeht, aber leider auch rechte Bewegungen trifft. Ich glaube, dass sich Klassengegensätze in ganz unterschiedlichen Formen ausdrücken. Eine Form sind Arbeitskämpfe, die seit der Krise von 2009/2010 zugenommen haben, die sich aber auch verlagert haben. Sie sind viel stärker in Berufen verankert, die mit Pflege, mit öffentlicher und sozialer Dienstleistung zu tun haben. Der Arbeitskampf ist nicht mehr durch die traditionelle Arbeit in der Industrie bestimmt.

Zu welcher Klasse gehören Sie?

Ich gehöre eher zu den Leuten die so dazwischen hängen. Ich bin jemand, der aus einer Arbeiterfamilie kommt und jetzt im akademischen Bereich tätig ist, das führt zu allerlei Verwicklungen. Einerseits verlässt man seine soziale Herkunft und macht andere Sachen. Und man nimmt da natürlich sprachlich und was den Habitus betrifft auch etwas mit.

Vortrag von Peter Birke: „A never ending story: Klassen & Kämpfe – heute!“, 19 Uhr, GoMokry, Mokrystraße 1