Krawall vor Gericht: Mildes Urteil für Hooligan

2015 demonstrierte die Justiz Härte gegen gewalttätige Linke. Umso milder gab sich das Amtsgericht jetzt gegen einen beteiligten Rechten.

Spektakel in der Kurve: Werder-Ultras, 2015 in Stuttgart. Foto: dpa

BREMEN taz | Das Video, das den Angriff von Christian F. belegt, ist eindeutig: Gegenstände fliegen, eine Gruppe Jugendlicher rennt davon. Ein junger Mann mit grüner Jacke und Schal im Gesicht wendet sich vom Geschehen ab. Doch Christian F. stellt dem Flüchtenden, der offenbar mit dem Angriff nicht rechnet, nach und schlägt mit einer Bierkiste auf seinen Kopf. Der Angegriffene fällt zu Boden und bleibt reglos liegen.

Von einem minder schweren Fall ging jetzt das Gericht aus: Zu insgesamt 3.600 Euro Strafe verurteilte dass Amtsgericht Christian F. am Freitag, wegen gefährlicher Körperverletzung. Der 50-Jährige hatte gestanden, einen Werder-Fan mit einem wuchtigen Schlag durch eine Bierkiste auf den Hinterkopf niedergestreckt zu haben. Seinerseits ist F. einer der Geschädigten im „Valentin“-Prozess: Bei diesem öffentlich viel beachteten Verfahren war wiederum ein Bremer Ultra verurteilt worden, ihn niedergeschlagen zu haben.

„Gesenkte Hemmschwelle“

Für das jetzige milde Urteil sprach nach Ansicht von Richterin Bolte die alkoholbedingt gesenkte Hemmschwelle des Täters, dass er keine Vorstrafen hatte und dass das Opfer kein Interesse an einer Strafverfolgung erkennen ließ – denn der Geschädigte machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um sich möglicherweise nicht selbst belasten zu müssen.

Spätestens seit dem Überfall auf den Ostkurvensaal 2007 führen rechte Hooligans einen aggressiven Kampf um die Dominanz in der Bremer Kurve. Bei dem Angriff von rund 25 Hooligans auf eine Party einer antirassistischen Ultragruppe wurden damals mehr als 40 Personen verletzt, zwei davon schwer.

Die Justiz tat den Fall als Streit zwischen Fußball-Fans ab, strafrechtliche Folgen hatte er für die Angreifer kaum: Mehr als vier Jahre später kam es zu vereinzelten Geldstrafen.

Auch den "Valentin"-Prozess gegen die Ultras Valentin S. und Wesley S. behandelte Bremens Innenbehörde als Konflikt zwischen rivalisierenden Fußball-Fans. Sprecherin Rose-Gerdts-Schiffler zu den Vorfällen beim Bremer Nordderby 2015: "Die Gewalttätigkeiten zwischen einigen Ultras und Hooligans haben mit Politik nichts zu tun".

An jenem Tag in 2015 wurde Berichten zufolge eine Gruppe der Ultras von Hooligans, die sich vor der Kneipe „Verdener Eck“ aufhielten, in Richtung Weserstadion getrieben. Dort sei die Gruppe zusammen mit Fans, die das Stadion verließen, von der Polizei zurück in Richtung Verdener Straße gedrängt worden. Aus dieser Menschenmenge sei die Gaststätte „Verdener Eck“ mit Tischen und Flaschen beworfen worden. Unter den aus der Kneipe strömenden Hooligans war auch Christian F.

Wer die nur zweistündige Verhandlung verfolgte, musste den Eindruck gewinnen, bei dem Vorfall handele es sich um eine unpolitische Schlägerei unter Fußballfans. Doch in der Gruppe, der Christian F. angehörte, befanden sich auch deutschlandweit aktive rechte Hooligans wie Marcel Kuschela und Hannes Ostendorf, führende Mitglieder der Hooligangruppierung „Nordsturm Bremen“. Die Gruppe machte in den vergangenen Jahren mit einer Reihe von gewaltsamen Angriffen gegen die antifaschistisch geprägte Bremer Ultrakultur auf sich aufmerksam.

Schleppende Ermittlungen

Eigentlich hatte die Staatsanwaltschaft aus dem vorangegangenen Verfahren umfangreiches Aktenwissen. Doch mit wem Christian F. beim Bremer Nordderby unterwegs war, wurde im Prozess nicht erörtert. Überhaupt kamen die Ermittlungen gegen Christian F. schleppend in Gang: Bereits im November 2015 musste die Staatsanwaltschaft aus einer Vernehmung von dem Angriff Christian F.s Kenntnis erlangt haben. Doch Ermittlungen nahm sie erst ein halbes Jahr später auf, als durch den Verteidiger von Valentin S., Horst Wesemann, ein Video von dem Vorfall vor Gericht eingebracht wurde.

Der Rechtsanwalt Jan Sürig, der ebenfalls in dem Verfahren als Verteidiger tätig war, stellte wegen unterbliebener Ermittlungen sogar Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt gegen den handelnden Staatsanwalt. In seinem Schlussvortrag sprach Sürig Prozessberichten zufolge von „einer strukturellen Unfähigkeit oder Unwilligkeit, gegen Rechtsextreme zu ermitteln und vorzugehen“.

Schuldfrage umstritten

Obwohl die Polizei bereits vor der Verurteilung die Ultras in einer Pressekonferenz öffentlichkeitswirksam als Hauptbeschuldigte des Vorfalls bezeichnet hatte, ist nach wie vor umstritten, welche der Gruppen die Verantwortung für die Gewalteskalation trägt. Die gewaltsamen Attacken im Vorfeld der Ausein­andersetzung bezeichnete ein Polizeibeamter der Ermittlungsgruppe „Verdener Straße“ im Prozess als „ein Geben und Nehmen“. Einen Anlass, die Personalien der anwesenden Hooligans festzustellen, sah die Polizei damals jedoch nicht.

Abgeschlossen ist die juristische Aufarbeitung der Vorfälle des Nordderbys in Bremen 2015 noch nicht: Nach Angaben des Polizeibeamten werden weitere Strafverfahren geführt. Ob dabei auch gegen Beteiligte der Hooligangruppe ermittelt wird, dazu machte die Staatsanwalt gegenüber der taz keine Angaben.

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