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Viele Köche, schwerer Brei

Schleswig-Holstein will ein Institut für berufliche Bildung gründen, um dem schlechten Image der dualen Ausbildung zu begegnen. Ob es dem Wirtschaftsministerium zugeordnet werden soll, darüber gibt es Streit

Freuen sich sicher schon auf ein eigenes Institut für die berufliche Bildung in Kiel: Werdende Köche kochen bei den „Jugendmeisterschaften in den gastgewerblichen Ausbildungsberufen“ des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Foto: Paul Zinken/dpa

Von Esther Geißlinger

Demografischer Wandel, Lehrkräftemangel, ungelöste Standortfragen: Spätestens, seit mehr Jugendliche aufs Gymnasium und danach ins Studium gehen, hat die klassische Ausbildung im dualen System aus Betrieb und Berufsschule ein Problem. Um schnell und effektiv Ideen gegen sinkende Schülerzahlen und ein schlechtes Image zu entwickeln, will Schleswig-Holstein ein eigenes Institut gründen. Doch schon vor seiner Grundsteinlegung ist das Projekt umstritten. In der Kritik steht vor allem, dass das geplante Berufsbildungs-Institut nicht dem Bildungs-, sondern dem Wirtschaftsministerium zugeordnet werden soll. Nun wird das Thema erst einmal auf die lange Bank geschoben.

Mit Mathe und Maschinenkunde, in Sprachkursen und Lehrwerkstätten vermitteln berufliche Schulen „Schlüsselkompetenzen für die sich ständig verändernde Lebens- und Arbeitswelt“, heißt beim Berufsbildungszentrum (BBZ) in Schleswig, einem von 15 dieser Schulen in Schleswig-Holstein; dazu kommen 18 regionale Berufsbildungszentren (RBZ) im Land. Dort können neben dem Berufsschulunterricht der dualen Ausbildung auch Abschlüsse erworben werden – bis hin zum Abitur.

Welche Inhalte an den beruflichen Schulen vermittelt werden, interessiert seit jeher nicht nur BildungspolitikerInnen, sondern auch Handwerkskammern, Innungen, die Arbeitsagentur und mehrere weitere Regierungsressorts: So redet das Kieler Umweltministerium bei den „Grünen Berufen“ mit, der Land- und Forstwirtschaft also. Und das Sozialministerium beansprucht Aufsicht über die Heilberufe. Viele Köche also und ein schwer zu rührender Brei.

Seit Jahren schon wird in Schleswig-Holstein überlegt, die Kompetenzen in einem einzigen Haus zu bündeln. Vorbild dafür ist Hamburg: Dort nahm schon 2007 das Hamburger Institut für berufliche Bildung (HIBB) seine Arbeit auf. Kein Zufall wohl, dass die Idee eines schleswig-holsteinischen Instituts für berufliche Bildung (SHIBB) unter Ministerin Britta Ernst entscheidend weiterkam – die SPD-Politikerin stammt aus Hamburg.

Ob das Modell für Schleswig-Holstein überhaupt sinnvoll ist, bewerten ExpertInnen unterschiedlich, wie die Stellungnahmen zu einem Gutachten zeigen, dass Ernst im Jahr 2016 vorstellte. Die Hauptkritikpunkte: Es sei unklar, wie das Konstrukt das Hauptproblem lösen könne: den Nachwuchsmangel. Bis 2030 werden im Land insgesamt 97.000 Fachkräfte fehlen, schon heute mangelt es den Berufsbildungszentrum an Lehrkräften, die neben Pädagogik ja auch fachlich geschult sein müssen. Die Unterrichtsversorgung ist vergleichsweise schlecht. Zudem hat Schleswig-Holstein im Bundesvergleich hohe Abbrecherquoten. Auch wurde damals bezweifelt, ob das Institut wirklich eine Beschleunigung bringen kann: Anders als im benachbarten Stadtstaat reden im Flächenland zwischen den Meeren die Kreise und Städte mit.

Doch zurzeit bewegt ein anderer Streit die Gemüter noch mehr: Das SHIBB soll nicht an das heute CDU-geführte Bildungsministerium angedockt werden, sondern an das Wirtschaftsministerium unter FDP-Leitung. In Kiel wird gemunkelt, dieses Konstrukt sei den Jamaika-Verhandlungen geschuldet: CDU und Grüne hätten der FDP einen Gefallen tun – und das ihr zugesprochene Ministerium aufwerten wollen.

„Wunderlich“ nennt Martin Habersaat, Bildungsexperte der SPD-Landtagsfraktion, diesen Plan: „Die Jamaika-Koalition betont, sie wolle eine wesentliche Säule des Bildungssystems stärken. Und dazu gibt das Bildungsministerium die Zuständigkeit ab – aber nicht richtig und nicht sofort. Obwohl der Wirtschaftsstaatssekretär irgendwie auch zuständig ist.“ Der Wirrwarr zwischen den Häusern treibe einen „Keil ins Bildungssystem“, befürchtet Habersaat. Betroffen sind rund 90.000 SchülerInnen, darunter zahlreiche noch schulpflichtige Jugendliche.

Auch Bernd Schauer, Landesgeschäftsführer der Erziehungsgewerkschaft GEW, ist skeptisch: „Das Wirtschaftsministerium vertritt die Interessen der Wirtschaft, also besteht die Gefahr, dass die Belange der Jugendlichen aus dem Blick geraten.“ Indes beklagen Lehrkräfte in Hamburg, dass in berufsbildenden Schulen das Fach politische Bildung zugunsten von Sprachunterricht eingedampft wird – obwohl das HIBB unter der Oberaufsicht der Bildungsbehörde steht.

Die Kieler Bildungsstaatssekretärin Dorit Stenke und der Kieler Arbeitsstaatssekretär Thilo Rohlfs dagegen loben die Idee: Es gehe darum, „dass die Jugendlichen über die berufliche Bildung erfolgreich in den Arbeitsmarkt finden“. Für die Lehrkräfte werde die „Weiterbildung in einem gemeinsamen Institut“ angeboten. Anita Klahn, Bildungsexperten der FDP im Landtag, weist darauf hin, dass die Zuständigkeiten für die berufliche Bildung in der Vergangenheit oft als „Anhängsel“ in verschiedenen Häusern angesiedelt war. Durch ein eigenes Institut werde es möglich sein, „Kompetenzen in einer Hand zu bündeln“. Auch sei der „‚direkte Draht‘ des Wirtschaftsministeriums zu Kammern und Verbänden hilfreich beim „nächsten Schritt in Ausbildung oder Arbeitsplatz“.

Bis dahin werden noch Jahre vergehen: Im Organigramm des Wirtschaftsministeriums ist zwar ein Posten für Koordinierung des SHIBB geplant, aber noch nicht besetzt. Angesichts des „langfristigen Planungshorizonts“ gehe man das Projekt sorgfältig an, heißt es aus dem Ministerium. Bis zur Gründung sollen noch mehrere Jahre vergehen.

Von wenig Begeisterung kündet auch, was das Ministerium selbst 2016 äußerte: Die Verlagerung gesetzlicher Kompetenzen an ein eigenes Institut „scheint kritisch“, heißt es in der Stellungnahme. Könne so ein Konstrukt die Probleme der beruflichen Ausbildung lösen? Auch das sah man „eher skeptisch“.