das ding, das kommt
: Psychologische Weihnachtsdeko

Als Geschenk verkleidete Poller sollen auf den Weihnachtsmärkten in Lübeck und Kiel Terroranschläge verhindern Foto: Jens Büttner/dpa

Da läuft man also an großen bunten Geschenkpaketen rein in den Lübecker und Kieler Weihnachtsmarkt, wird gleich am Eingang mit fröhlichem Geglitzer empfangen. Schön, denkt man, so viel, so voluminös, so großzügig will ich auch schenken und beschenkt werden. Ja, eine neue Ära der Großzügigkeit soll anbrechen, auch für mich im Hier und Jetzt! Dazu ist Weihnachten ja da.

Das kann man so sehen, aber die Wahrheit trifft es nicht: Tod- und Teufelsgeschenke sollen vielmehr vereitelt werden durch das, was unter der Deko lauert; Poller aus tonnenschweren Wassertanks und sandgefülllten Baustellensäcken haben Stadtväter und Ordnungsämter da aufgebaut, um zu verhindern, dass ein LKW-Attentäter in die Menge rast.

Seit dem Anschlag von Nizza sind diese Poller bei öffentlichen Veranstaltungen üblich, und erst recht seit dem LKW-Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016, bei dem zwölf Menschen starben. Und dass Schleswig-Holstein nicht die – laut „Dekra“-Test LKW-verhinderungsuntauglichen – Betonpoller verwendet, sondern Wassertanks bzw. besagte Sandsäcke – geschenkt. Denn ob die halten, was auch der Beton einst versprach, weiß kein Mensch, denn eigens getestet wurden sie (wohlweislich?) nicht.

Und abgesehen davon, dass auch Wassertanks und Sandsäcke im Ernstfall nicht nur Geschoss, sondern auch Falle für fliehende Fußgänger werden können, ist der Schutz ohnehin begrenzt. Auch deshalb, weil die Einfahrt für den riesigen Feuerwehrwagen samt Drehleiter frei bleiben muss, und da passt bequem ein Zehntonner durch.

So ist die Sandsack-Wassertank-Performance also kaum mehr als eine interessante Kombination aus Psychologie und Dekoration, die sich die Verantwortlichen ausdachten, um nicht untätig herumzusitzen und das Volk ein bisschen zu beruhigen.

Und tatsächlich, es funktioniert überraschend gut: Obwohl die meisten kürzlich befragten Weihnachtsmarktbesucher nicht glauben, dass die Poller sie schützen, fühlen sie sich subjektiv sicherer. Wie das sein kann? Per Placebo-Effekt vielleicht oder per Verdrängung, einer uralten Strategie zur Bewältigung von Ängsten. So gesehen sind die Poller durchaus ein Symbol für Sicherheit – und zwar die, dass es keine absolute Sicherheit geben kann. Petra Schellen