Der Kälte ausliefern

Laut Versammlungsbehörde muss das Info-Zelt der Lampedusa-Gruppe am Steindamm ab jetzt zu drei Seiten geöffnet sein. Die Aktivisten befürchten, sie werden so vertrieben

Info-Zelt am Steindamm: Soll sich öffnen, findet die Behörde Foto: Joto

Von Adèle Cailleteau

Der Platz am Anfang des Steindamms kann ungemütlich und zugig sein, besonders an Wintertagen, wenn der Hamburger Schneeregen über die Fläche peitscht. Umso befremdlicher ist die neue Auflage der Versammlungsbehörde für das Kundgebungszelt der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“, was dort seit viereinhalb Jahren steht. Darin heißt es, das Zelt müsse ständig an drei Seiten geöffnet sein, auch nachts, offen zu lassen.

Doch ohne schützende Stoff-Wände ist eine Dauerkundgebung der Aktivist*innen so gut wie unmöglich. Martin Dolzer, Anmelder der Kundgebung und justizpolitischer Sprecher der Linksfraktion, erklärt auf einer Pressekonferenz am Donnerstag die Auflagen für „nicht erfüllbar. Wenn sie in Kraft treten, wäre die Kundgebung faktisch beendet“. Und er fügt hinzu „Diejenigen, die das Zelt unter solchen Bedingungen betreuen würden, müssten wegen der Kälte ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.“

Die Behörde kalkuliere vermutlich, dass das Info-Zelt auf diese Weise einfach verschwinde, sagt Ali Ahmad, Chef der Lampedusa-Gruppe: „Sie wissen, dass kein Mensch das aushalten kann.“ Es sei eine Methode, um ihren politischen Kampf auszulöschen: „Sie wollen verhindern, dass wir uns für unsere Rechte einsetzen.“

Mithilfe des Zeltes in zentraler Lage macht die Lampedusa-Gruppe auf sich aufmerksam. Sie kämpfen für die Anerkennung ihrer Papiere und eine Arbeitserlaubnis. Wenn sie die bekommen, wollen sie das Zelt räumen. „Es gibt eine einfache Lösung, um das Zelt wegzubekommen: unsere Forderungen zu erfüllen“, sagt Ali Ahmad.

Der Ort ist zum Symbol der Kämpfe von Geflüchteten geworden. „Wir sind Teil der Geschichte Hamburgs“, sagt Ali Ahmad. Darüber hinaus ist es schon zu einem Treffpunkt geworden, der die Gruppe zusammenhält. „Das Zelt ist sehr wichtig für uns“, versichert Ali Ahmad. Es diene auch als Schutzraum, ist es zu drei Seiten offen, könnte es Übergriffe gegen Geflüchtete geben, befürchtet die Gruppe.

Die so genannte Lampedusa-Gruppe gibt es seit 2013. In Folge des Bürgerkriegs in Libyen waren sie über das Mittelmeer auf die italienische Insel Lampedusa geflohen und kamen von dort nach Hamburg.

Rund 350 Menschen gehörten am Anfang zu der Gruppe. Fast fünf Jahre später waren sie bei ihrem bisher letzten Treffen noch 222.

Die Gruppe fordert die Anerkennung ihrer italienischen Papiere und ein gemeinsames Aufenthaltsrecht nach § 23 und § 25 des Aufenthaltsgesetzes.

Grund für die Aufforderung seitens der Behörde sei, dass festgestellt wurde, dass Menschen im Zelt schlafen, wofür es keine Genehmigung gibt. Als offener Pavillon wäre es tatsächlich unwahrscheinlich, dass Menschen die Nacht dort verbringen. Die Gruppe verhalte sich sonst sehr kooperativ, auch während den regelmäßigen Kontrollen. Über Probleme hat die Polizei keine Information.

Das jetzige Vorgehen der Versammlungsbehörde findet die Lampedusa-Gruppe unvertretbar und hat Widerspruch gegen die Auflagen eingelegt. Ein Gericht wird in den nächsten Tagen entscheiden, ob die Dauerkundgebung weitergeführt werden kann. Der Senat wird daher aufgefordert, in Kontakt mit den Geflüchteten zu treten. „Unsere Forderungen werden bis heute von der Hamburger Regierung ignoriert“, hieß es in der Pressemitteilung.

Wie es weitergeht, bleibt ungewiss. Falls keine Kooperation zwischen Behörde und Lampedusa-Gruppe stattfindet, könnte der Vorgang bis zum Oberverwaltungsgericht und sogar Verfassungsgericht gehen. „Das wollen wir nicht, es wäre viel besser, wenn die Gespräche kooperativ bleiben“, sagt Martin Dolzer. Der Senat müsse sich endlich auf die Gruppe zubewegen und eine humane politische Lösung anbieten.