Haus von US-Bürgerrechtlerin in Berlin: Amerika entdeckt Rosa Parks wieder

Der Künstler Ryan Mendoza baute das Haus von Rosa Parks in Berlin auf , weil in den USA niemand etwas damit anfangen wollte. Das hat sich endlich geändert.

Haus von Rosa Parks in Berlin

„Das Zuhause, das kein Zuhause hat“: Das Original-Haus von Rosa Parks im Wedding Foto: Wolfgang Borrs

Der US-amerikanische Künstler Ryan Mendoza steht im Hof zwischen seinem Wohn- und Atelierhaus in einer Seitenstraße des ehemaligen Arbeiterbezirks Wedding. Es ist nur noch das Gerüst „seines Hauses“ übrig, das ihn seit Monaten beschäftigt, das er aber trotzdem nie „sein Haus“ nennen würde.

Obwohl das Haus gerade abgebaut und demnächst dorthin zurück verschifft wird, wo es herkommt, obwohl er es nun los lassen muss, wirkt Ryan Mendoza wie auf Wolke siebzehn. Alles ist so gekommen, wie er sich das ausgerechnet hat.

Die Geschichte beginnt im Winter 1955 in den USA. Die 42-jährige schwarze Näherin Rosa Parks weigert sich, im Bus ihren Sitzplatz für einen Weißen zu räumen und wird verhaftet. Dies löst den Busboykott von Montgommery aus, der als Anfang der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung gilt. 1957 flüchtet Rosa Parks mit ihrem Mann vor Arbeitslosigkeit und Rassismus nach Detroit, ins kleine Haus ihres Bruders und dessen 13 Kindern – in eben jenes bescheidene Haus, das jetzt in Wedding steht.

61 Jahre später bekommt Ryan Mendoza einen Anruf von einem dieser 13 Kinder, von Rosa Parks Nichte Rhea McCauley. Sie hat das Haus, in dem sie aufwuchs, für 500 Dollar der Stadt abgekauft, die es abreißen lassen wollte. Nun weiß McCauley nicht weiter. Die Schwarze Community, auch die Rosa Parks Stiftung, hat kein Geld.

Mendoza findet nicht, dass das Haus nach Berlin gehört und versucht alles, um es zu retten. Er schreibt den Bürgermeister von Detroit an, sogar das Weiße Haus. Keiner will es haben.

Der Künstler denkt nach. Das Land, in dem er seit 20 Jahren nicht mehr leben mag, ist auf Lügen gebaut, sagt er. „Man kommt aber nur voran, wenn einem die Vergangenheit gehört.“ Also beginnt er, in glühender Sommerhitze mit einer handvoll Helfer, das Haus zu demontieren. Kritik aus der Schwarzen Community wird laut, er wolle sich das Haus für seinen Ruhm unter den Nagel reißen. Doch die Stimmung kippt, zu Mendozas Gunsten.

Bis heute berichtet Mendoza plastisch von diesem Sommer in Detroit, vom Zustand des Hauses, das ein Drogenumschlagplatz war und voller Schimmel und toter Tiere. Von den Quetschungen und Prellungen, die er bei der Arbeit davon trug.

Im April wird die Brown University in Providence das Haus mitsamt drei neuen Objekten ausstellen

Als Mendoza fertig ist mit dem Abbau, verschifft er das Holz quer über den Atlantik nach Deutschland. 13.000 Euro kostet ihn das. Es wird Oktober, Mendoza kommt zurück in den Wedding und gießt ein Fundament für das Haus. Es wird Winter, Trump wird Präsident, das Holz des Hauses wird immer bedeutungsschwerer.Der Künstler baut weiter. Im April 2017 wird es fertig, „das Zuhause, das kein Zuhause hat“, wie Mendoza sagt. Er zeigt das Haus der Öffentlichkeit (taz berichtete).

Und auch, wenn es noch so fragil wirkt, wenn sich seine Gardinen noch so leicht im Wind bewegen und die leisen Geräusche von Mendozas Toninstallation noch so poetisch nach draußen dringen: Aus Amerika gibt es nach wie vor kein Zeichen des Interesses.

Das aber irritiert Mendoza kaum. Die Medien lieben das Thema, viele Menschen pilgern immer wieder zum Haus. Im Grunde ist ihm längst gelungen, was Künstlern so selten gelingt: Er hat einen vernachlässigten Gegenstand, der von der Mehrheitsgesellschaft als wertlos betrachtet wurde, so randvoll mit Sinn gefüllt, „dass er auch zum Mond fliegen könnte“, wie er heute sagt.

Ryan Mendoza sitzt in der Küche seines Wohnhauses, das direkt neben den Resten des Hauses von Rosa Parks steht. Seine Art ist ruhig und bedacht, alles, was er sagt, zeugt von einem feinen Gespür für Macht- und Ausbeutungsmechanismen.

Er erzählt, was seit dem Frühling geschah. Im Sommer meldete sich das Studienzentrum für Sklaverei und Gerechtigkeit der Brown University in Providence im US-Bundesstaat Rhode Island bei ihm. Die Universität ist nach einem Sklavenhändler benannt und schon länger für ihre Auseinandersetzung mit diesem noch immer verdrängten Teil der amerikanischen Geschichte bekannt. Schnell wurde man sich einig.

Kommenden April wird die Universität das Haus ausstellen, gefüllt mit drei neuen Objekten Mendozas, die er gerade in den Niederlanden hergestellt hat. Nach langen Telefonaten mit Rosa Parks Nichte Rhea McCauleys hat er ein Telefon, ein Sofa und einen Esstisch für das Haus gebaut, nach ihren Erinnerungen. Er hat diesen Objekten aber auch etwas Eigenes hinzugefügt, denn er ist, wie er sagt, nach wie vor der weiße Mann, dessen Ruhm mit dem Haus wächst, ob ihm das nun passt oder nicht. Erstens hat er die Objekte aus Keramik gemacht, „aus Erde, deren Transformation an Alchemie erinnert“, wie er sagt. Zweitens kommentiert er diese Objekte auch. Der Tisch beispielsweise hatte nach Rhea McCauleys Aussage nie eine Tischdecke. Er hat ihm trotzdem eine verpasst. So scheint der Tisch lebendiger.

Ryan Mendoza

Er wird das Haus nach Amerika begleiten und zum zweiten Mal aufbauen: Ryan Mendoza Foto: Wolfgang Borrs

Das Haus von Rosa Parks ging durch den Körper von Ryan Mendoza. Auch die Keramik ging durch seinen Körper. Einen Tisch musste er zerschlagen, weil er nicht den Vorstellungen Rhea McCauleys entsprach. Gleichzeitig trainierte er für einen Boxkampf mit Thomas „Hit Man“ Hearns, einem ehemaligen Profiboxer. Er hatte ihn initiiert, um Geld in die Kassen der Rosa Parks Stiftung zu spülen.

Und dann wachte der 1971 geborene Künstler vor sechs Wochen im Krankenhaus auf.

Schlaganfall.

Vielleicht war es die physische Anspannung, meint er. Vielleicht auch die Verantwortung, die plötzlich von seinen Schultern fiel. Symbolisch und real: Das Haus stand hier unter freiem Himmel, es war Wind und Wetter ausgesetzt. „Ich bin kein Konservator“, sagt er.

Und was bringt die Zukunft?

Mendoza wird sich erholen.

Er wird das Haus nach Amerika begleiten und zum zweiten Mal aufbauen. Zur Vernissage wird Barack Obama erwartet.

Was nach den drei Monaten in Providence kommt, ist ungewiss. Inzwischen gibt es mehrere Interessenten in den USA. So habe sich etwa ein Auktionshaus in New York gemeldet, erzählt Mendoza. Dort würde dann auch eine kleine Statue Abraham Lincolns von Bildhauer Daniel Chester French unter den Hammer kommen, der auch die berühmte Lincoln-Statue im Lincoln-Memorial geschaffen hat, in Washington D.C. In Fahrwasser dieser Auktion könnte auch sein Haus einen sensationellen Preis erzielen. Das Geld würde Mendoza der Parks Stiftung schenken.

Doch im Grunde ist es ganz egal, wohin das Haus gehen wird. Es ist auf seinem Weg. Und anders als Ryan Mendoza wird es nicht zurückkommen nach Berlin.

Schade eigentlich.

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