Freier Blick auf Rotlichtmeile

Die Helenenstraße muss heller werden. Darüber herrschte Einigkeit bei einer von den Grünen organisierten Podiumsdiskussion über die Zukunft des Sichtschutzes. Die Tage der Mauer könnten gezählt sein

„Es ist die Gesellschaft, die mit dem Finger zeigt“

Lea Augustin vom Verein „Nitribitt“

Von Dominik Koos

Eine strittige Diskussion hatte Moderatorin Henrike Müller, geschlechterpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, bei der Podiumsdiskussion „Helenenstraße: Ohne Mauer wie im Zoo?“ am Donnerstagabend im Alten Fundamt erwartet. Doch unter den Podiumsteilnehmer*innen sprach sich niemand für den Erhalt des Sichtschutzes vor der Rotlichtmeile aus.

Anlass für die Diskussion war die Zunahme von Kriminalität am Ziegenmarkt und im Eingangsbereich der Helenenstraße. „Die Mauer muss weg!“, wiederholte Polizeipräsident Lutz Müller die Forderung von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Rund 400 Straftaten seien dieses Jahr bereits registriert. Die Raub- und Drogenkriminalität richte sich zunehmend auch gegen Freier, Prostituierte und Feiernde. Der Abriss des Sichtschutzes würde den Tätergruppen einen idealen Rückzugsort nehmen.

Den Prostituierten sei der Sichtschutz „mehrheitlich egal“, erklärt Lea Augustin von Nitribitt, einer Interessenvertretung von Sexarbeiter*innen. „Es ist die Gesellschaft, die mit dem Finger zeigt.“ Die Prostituierten seien es gewohnt, sich zu präsentieren. In dem Eingangsbereich fühlten sich Dealer und Junkies wohl, aber nicht die Freier. Das sei für die arbeitenden Frauen nicht nur unschön, auch „der Verdienst geht massiv zurück“.

Für eine Öffnung plädierte auch Ronny Meier, Staatsrat für Umwelt, Bau und Verkehr, der auf die illegale Müllentsorgung hinwies. Die Mitarbeiter*innen der Müllentsorgung müssten den zum Teil einurinierten Abfall nicht nur entsorgen, sondern würden dabei auch häufig bedroht.

Björn Fecker, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, forderte, die Täter, „größtenteils ehemals unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ in den Fokus zu nehmen: „Wenn nötig, auch mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen.“ Beiratssprecher Steffen Eilers (Grüne) nannte die Abschottung einer öffentlichen Straße „ein bisschen wie im Mittelalter“. Überrascht von der Harmonie in der Diskussion könne er sich eine probeweise Öffnung des Sichtschutz in naher Zukunft vorstellen.

Das sei „kein unumkehrbarer Prozess“, zunächst könne man das Tor für eine gewisse Zeit probeweise öffnen und die Mauer stehenlassen. Auch ein Durchgang zur Straße Auf den Kuhlen, der für die Helenenstraße schon immer geplant war, sei langfristig eine denkbare Option.

Die Mauer am Eingang der „Bordellstraße“ gegenüber dem Ziegenmarkt wurde 1905 als Einlass-Wachhaus errichtet. Es diente der „Fortschaffung der „Controlldirnen“ in die weltweit erste sogenannte „Kon­trollstraße“.