Kommentar Fall Anis Amri: Nichts gelernt

Anschläge wie der vom Breitscheidplatz lassen sich nicht mit völliger Sicherheit verhindern – bessere behördliche Zusammenarbeit aber wäre hilfreich.

Porträt De Maizière

Bundesinnenminister De Maizière vor dem Amri-Untersuchungsauschuss in NRW im März 2017 Foto: dpa

Der islamistische Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz vor einem Jahr war ein Desaster. Ein ganz persönliches für die Opfer und ihre Angehörigen. Aber auch für die deutschen Sicherheitsbehörden, die den Täter kannten, ihn aber nicht stoppten.

Seitdem werden Weihnachtsmärkte vielerorts mit Betonquadern, Taschenkontrollen und massivem Polizeieinsatz geschützt. Doch die traurige Wahrheit ist: Ein Anschlag kann trotzdem wieder geschehen. Wenn nicht auf dem Berliner Breitscheidplatz, dann irgendwo anders in der Republik.

Die Bundesregierung hat zwar den Rechtsstaat bereits aufgeweicht: Sie hat Fußfesseln und Abschiebehaft für so genannte Gefährder eingeführt, die Fluggastdatenspeicherung, den Staatstrojaner und so manches andere auf den Weg gebracht. Doch wenig geändert hat sie an dem Kompetenzgerangel und dem Misstrauen zwischen den Sicherheitsbehörden, die den Anti-Terror-Kampf massiv erschweren – in Deutschland, Europa und auch darüber hinaus.

Da werden Erkenntnisse nicht weitergegeben, weil man eine andere Behörde für inkompetent hält. Weil ein Informant geschützt werden soll. Oder weil man sich durch Abwarten weitergehende Informationen erhofft. Diese Kultur zu verändern ist schwerer, als nationale Gesetze zu verschärfen. Es ist aber dringend notwendig.

Fehler oder Inkaufnahme?

Neue Veröffentlichungen legen nun nahe, dass die deutschen Nachrichtendienste den Attentäter schon viel länger und umfassender im Blick hatten als bisher bekannt war. Sie griffen aber nicht ein, weil dessen IS-Kontakte unter anderem in Libyen ausgespäht werden sollten.

Ob das stimmt, muss der neue Bundestagsuntersuchungsausschuss aufklären. Sollte es der Fall sein, wäre das Desaster noch erheblich größer als bislang gedacht. Dann nämlich hätten nicht zahlreiche Fehler und eine falsche Einschätzung der Behörden den Anschlag mit zwölf Toten möglich gemacht, sondern sie hätten ihn für ein vermeintlich höheres Ziel in Kauf genommen.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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