Fußball und Homosexualität: Und das Matterhorn steht immer noch

Ein Schweizer Schiri outet sich als schwul. Er erntet gewogene Reaktionen. Will denn selbst im Fußball keiner mehr offen homophob sein?

ein Mann im Porträt

Hitzlsperger als Ausnahme: Die meisten schwulen Fußballer outen sich aus Angst lieber nicht Foto: dpa

Irgendeiner muss ja der Erste sein. In diesem Fall, der in der Schweiz spielt, ist es der 37-jährige Frank Erlachner. Er lebt in Wangen im Kanton Schwyz, ist politisch rührig für die liberale FDP und ist Schiedsrichter in der ersten Fußballliga des Landes. Ein Mann, wie es eidgenössischer kaum geht – alles hat Maß und Mitte.

Erlachner aber hat die Unbekanntheit nun hinter sich gelassen, zumindest ein bisschen. Denn in einem Interview mit der Zeitung Sonntagsblick teilte er mit, schwul zu sein: „Ich hoffe, dass ich mit meinem Outing eine öffentliche Diskussion anrege.“ Und: „Ich bin mittlerweile selbstbewusst genug. Ich bin reif für diesen Schritt und gespannt, was ich damit auslöse.“

In einer idealen Welt könnte man nun denken: Ein Mann leitet Fußballspiele, lebt und liebt gleichgeschlechtlich – so what? So ist es eben nicht, Fußball gilt, zutreffend, als Kerndisziplin traditionell heterosexueller Männlichkeit. Das Kicken in einer Mannschaft bringt körperlich gelegentlich heftige Nähe, wobei diese aggressiv geladen sein muss, denn Zärtlichkeit etwa beim Torjubel ist verpönt.

Dass aber schwule Männer, diesem Klischee folgend, keinen Fußball mögen, ihn selbst nicht spielen oder Partien nicht zu leiten vermögen, ist theoretisch irrig, empirisch ohnehin nicht haltbar. Es gibt Fußballspieler, die schwul sind, aber in der Regel – vom Selbstouting nach der aktiven Karriere Thomas Hitzlspergers abgesehen – leben diese versteckt. Oft sogar gehen sie eine Liaison mit einer Frau ein, um Zweifel an ihrer heterosexuellen Zuverlässigkeit gar nicht erst zu wecken.

Eines der Hauptthemen in der Stadionkabine: Frauen

Manche Kommentatoren in Internetforen kritisieren nun Pascal Erlachner für dieses Outing, denn auf die sexuelle Orientierung komme es doch gar nicht an. Das allerdings ist unwahr. Denn wer schon mal in der Stadionkabine mitprotokollierte, weiß, dass sich dort ein Gutteil der Kommunikation um Frauen dreht: Männer, die mit Anbaggerquoten angeben oder, drastisch, über das komisch oder gar klein aussehende sekundäre Geschlechtsteil des Konkurrenten lästern. Fußball ist sozusagen ein heterosexuell bekennendes Dauerprojekt: Schwule passen da nicht rein.

Jedenfalls so lange nicht, bis sich wenigstens einige Fußballer outen – und ihre eigene Normalität der der heterosexuell anderen entgegensetzen. Erlachner hat das für das Schiedsrichterwesen nun getan: ein, wenn man so will, lebendes, mutiges Dementi, dass Männerfußball ein röhrend bodycheckhaft-kumpeliges Heteroding ohne erotische Komponente ist. Wobei: Die Schiedsrichterei ist traditionell im Fußball jener Sektor, der ein Exil bietet für schwule Männer. So wie es viele schwule Trainer und Sportjournalisten gibt: Man ist aus den Zweikämpfen und Torjubelknäueln raus.

Und ein Schiedsrichter leitet Spiele, befindet sich nicht in der Hitze der Kabinenkommunikation, hat vielmehr Urteils- und Strafmacht. Kein Spieler der betreffenden Mannschaften wird sich, so er bei Trost ist, mit einem Schiri anlegen. Pascal Erlachner hat seinen Kollegen einen sehr guten Dienst erwiesen. Mögen sie ihn nicht allein lassen.

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