Kito Nedoschaut auf das Kunstjahr 2017 zurück
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Super „Superkunstjahr“ 2017: Die Wahl zwischen documenta in Athen und/oder Kassel zu haben – das war einmalig. In Athen gab es prima Kunst, etwa von Emeka Ogboh, Daniel Knorr, Terre Thaemlitz, Nevin Aladağ oder Nairy Baghramian und zwischendurch konnte man zur Akropolis hinaufpilgern. Maxim-Gorki-Intendantin Shermin Langhoff lieferte einen hervorragenden 3. Berliner Herbstsalon ab, von dem mir die Reichsbürger-Installation von Henrike Naumann sicher lange in Erinnerung bleiben wird. Mit Trump, Brexit und AfD blieb 2017 auch deprimierend. Woher Optimismus nehmen und wie Zynismus niederkämpfen? Ob es hilft, wie Wolfgang Tillmans mit seinen hippen Postern den Job der Bundeszentrale für politische Bildung zu erledigen? Oder ist der „aggressive Humanismus“ des Zentrums für politische Schönheit das probate Mittel der Stunde? Für Heiterkeit sorgten zumindest die umgearbeiteten Touristen-T-Shirts, die der britische Künstler Jeremy Deller produzierte: „My boyfriend went to London and all I got was fuck Brexit.“ Seltsam auch: Der weltfremd wirkende Leipziger Maler Neo Rauch echauffierte sich über „gendersensible Bücklinge“. Gleichzeitig erreichte die #MeToo-Debatte über sexistischen Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt die internationale Kunstwelt. In New York musste etwa Knight Landesman, der einstmals mächtige Herausgeber des Magazins Artforum seinen Platz räumen, zuletzt kündigten mehrere Institutionen an, nicht mehr mit dem Superkurator Jens Hoffmann zusammenarbeiten zu wollen, gegen den Vorwürfe wegen sexueller Belästigung im Raum stehen. In der deutschen Hauptstadt sorgte unterdessen der auf Zeit Online veröffentlichte „offene Brief“ der Journalistin Carolin Würfel über den Sexismus in der Berliner Kulturszene für Wirbel.

Für die kleinen und mittleren Galerien war 2017 wohl kein gutes Jahr, das zeigten die vielen mehr oder weniger klandestinen Schließungen: In Berlin machte kurz vor dem Sommer die von Michel Ziegler und Dominic Eichler betriebene Programmgalerie Silberkuppe nach knapp 10 Jahren dicht. Ungeklärt blieb weiterhin, warum Michael Müller dereinst die Volksbühne unbedingt Chris Dercon übertragen musste und inwiefern hartes Netzwerken à la Beatrix Ruf zum Profil als Museumskurator*in gehört oder eher den Job kostet. Nichts scheint auf lange Sicht aber schlimmer als die Schlossattrappe zu sein. Das Humboldt-Forum sei „wie Tschernobyl“ erklärte die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy im Sommer in einem Interview und verkündete ihren Austritt aus dem Expertenbeirat des Projekts.