VfB Stuttgart im Abstiegskampf: Return of the Bruddler

Trias der Mangelhaftigkeit: Der VfB Stuttgart muss in den Bereichen Konzentration, Wettkampfhärte und Leidensbereitschaft mehr bringen.

Dennis Aogo, VfB Stuttgart, beim Elfmeterschießen; im Tor steht Robin Zentner, 1. FSV Mainz 05,

Albtraum Strafstoß: Stuttgarts Aogo verschießt Foto: imago/Pressefoto Baumann

MAINZ/STUTTGART taz | Wer Dienstagnacht mit dem Zug von Mainz in Richtung Stuttgart unterwegs war, erlebte ziemlich frustrierte, bruddelige Fans des VfB Stuttgart. „Bruddler“ ist der schwäbische Ausdruck für einen notorischen Nörgler, dessen Lieblingssatz lautet: „Net geschimpft isch gelobt genug.“ Dem VfB Stuttgart ist es in den letzten ­anderthalb Jahren gelungen, selbst langjährige Gewohnheitsbruddler auf der Haupttribüne hinter sich zu vereinen.

Der Aufstieg nach dem Abstieg schaffte wieder ein großes, positives Gefühl für den VfB. Dienstagnacht aber kehrten die Bruddler zurück; es war ja auch ein ärgerliches Schauspiel, das die VfB-Profis in Mainz aufgeführt hatten. Die Dramatik bei der 1:3-Pokalpleite war einfach zu grotesk. Und einer sagte auf der Zugfahrt nach Hase kurz vor Mitternacht: „Wenn’s das nächste Mal Elfmeter gibt, geh ich heim.“

Für alle, die mit dem VfB fiebern, ist der freie Schuss aus elf Metern in den letzten Tagen zum Albtraum geworden. Am vergangenen Freitag vergab VfB-Stürmer Chadrac Akolo einen Strafstoß in der Nachspielzeit gegen den FC Bayern, die Stuttgarter verloren zum Vorrundenabschluss in der Liga mit 0:1. Und Dienstagnacht scheiterte Routinier Dennis Aogo im Pokalspiel in Mainz vom Elfmeterpunkt – nach 54 Minuten, beim Stand von 1:0 für die Schwaben.

Am Ende bedeutete die Parade von FSV-Torwart Zentner den Wendepunkt eines wilden Pokalspiels, das die Mainzer durch Tore von Berggreen (62.), Diallo (71.) und Serdar (90.) drehten. Seit langer Zeit wurden die Stuttgarter Profis beim Gang in die Kurve nach dem Abpfiff von ihren Anhängern mal wieder ausgepfiffen. Zwei verschossene Elfmeter und die fünfte Pflichtspielniederlage in Folge verhagelten den Schwaben den Jahresausklang.

Die Verantwortlichen wählten drastische Worte nach der erneuten Pleite. „Die letzten Wochen waren Schrott“, haderte VfB-Trainer Hannes Wolf. „Uns fehlen einfach Konsequenz und Konzentration und somit ein Stück Mentalität in den entscheidenden Momenten. Wir müssen in der Rückrunde schärfer werden.“ Und auch Sportvorstand Michael Reschke sah keinen Anlass, besonders nachsichtig zu sein, nur weil einige wichtige Spieler nicht einsatzfähig waren (u. a. Badstuber, Pavard, Ginczek): „Vor allem die erste halbe Stunde war mächtig enttäuschend“, schimpfte Reschke.

Konzentration und Leidensbereitschaft

Mainz hätte längst in Führung liegen müssen, bevor VfB-Kapitän Christian Gentner das 1:0 für die Gäste nach schönem Doppelpass mit Akolo erzielte (41.). Und dann, fand Reschke, sei es fast schon Slapstick gewesen, als Aogo erneut einen Elfmeter verschossen und Akolo nach einem Schuss von Josip Brekalo per Kopf quasi für den Gegner auf der Linie gerettet habe (70.). Man könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sagt Reschke. Im Trainingslager nach der kurzen Weihnachtspause werde er die Themen Konzentration und Leidensbereitschaft klar ansprechen.

Priorität hat in den nächsten Tagen aber die Suche nach einem Stürmer, der ohne Eingewöhnungszeit Tore garantiert. Mit nur 13 Treffern in 17 Ligaspielen stellen die Stuttgarter den zweitschwächsten Angriff der Bundesliga. Gestern gab der Klub bekannt, dass Aufstiegsheld und Zweitligatorschützenkönig Simon Terodde zum 1. FC Köln wechselt (Ablösesumme: rund 3 Millionen Euro). Teroddes Weggang macht eine Planstelle frei, der Klub ist offenbar bereit, rund 10 Mil­lio­nen Euro in die Hand zu nehmen, um der Mannschaft mehr Durchschlagskraft zu verleihen. Bei diesem Betrag jedenfalls stieg der Klub jüngst aus dem Bieterwettbewerb um den Argentinier Maximiliano Romero von Vélez Sarsfield aus.

VfB-Trainer Wolf

„Wir müssen in derRückrunde schärferwerden“

Auf der Kandidatenliste stehen offenbar Cenk Tosun von Beşiktaş Istanbul und Guido Carrillo vom AS Monaco. Wobei Reschke und Wolf überzeugt sind, dass der aktuelle Kader auch ohne Verstärkungen genug Potenzial besitzt, um die Klasse zu halten. Viele talentierte VfB-Profis spielen gerade ihre erste Bundesligasaison, sie befinden sich im Bereich Wettkampfhärte in einem Lernprozess, zumal nach dem 2:1-Sieg gegen Dortmund vor vier Wochen schon vom Europapokal geträumt wurde.

Die Zukunftsvision von Klubboss Wolfgang Dietrich ist es, den VfB in den nächsten Jahren im oberen Drittel zu etablieren. Nun aber steckt die Elf erst mal tief im Kampf gegen den Abstieg, und ein VfB-Fan erkannte Dienstagnacht ziemlich ernüchtert: „Leichter wird’s im neuen Jahr nicht.“

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