Viktor Orbán zu Gast bei der CSU: Waffenbrüder im Geiste

Die wollen nur reden: Im Kloster Seeon empfängt die CSU Ungarns Ministerpräsidenten. Kritik kommt von der Opposition und aus der Partei selbst.

Drei Männer an einem Tisch

Was sie sich wohl zu erzählen haben? Seehofer, Orbán und Dobrindt (v.l.n.r.) in Seeon Foto: dpa

SEEON taz | Zu Fuß kommt er die Straße zum Kloster hoch, sagt „Grüß Gott“. Vitali Klitschko ist an diesem Freitagmorgen zu Gast bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im Kloster Seeon. Gemeinsam mit Gastgeber Alexander Dobrindt stellt sich der Bürgermeister von Kiew vor die Kameras, lobt die guten Beziehungen, spricht von Visionen und der Ukraine als Teil der europäischen Familie. Ein Wohlfühltermin für beide Seiten mit Glamourfaktor. Konfliktpotenzial: null. „Wir drücken die Daumen“, sagt der ehemalige Boxweltmeister noch, als er nach der schleppenden deutschen Regierungsbildung gefragt wird.

Ein Schwergewicht der ganz anderen Art findet sich nur wenige Stunden später an derselben Stelle ein. In einer Limousine fährt Viktor Orbán vor, Polizei­eskorte, Blaulicht. Die CSU-Politiker Dobrindt, Horst Seehofer und Manfred Weber gehen dem ungarischen Ministerpräsidenten entgegen, Seehofer umarmt seinen Freund.

Nach dem Gespräch mit der Landesgruppe stellt sich Orbán vor die Mi­kro­fone – und teilt aus. Die Migrationsfrage sei zu einem Demokratieproblem in Europa geworden. Hier machten Spitzenpolitiker oft nicht das, was vom Volk gewünscht sei. Mancherorts würden Chaos und Rechtswidrigkeit von der Politik geradezu gefeiert. Seehofers „Herrschaft des Unrechts“ lässt grüßen. Mit der CSU herrsche „vollständige Meinungsgleichheit“, sagt Orbán. Noch Fragen? Nicht erlaubt.

Welche Botschaft will die Landesgruppe mit der Wahl ihres umstrittenen „Stargasts“ so kurz vor den Sondierungsgesprächen in Berlin aussenden? Und vor allem an wen? An enttäuschte, zur AfD abgedriftete Wähler? An Angela Merkel, die von Orbán in der Flüchtlingsfrage schon mal des „moralischen Imperialismus“ bezichtigt worden ist?

Nun ist der Rechtspopulist kein seltener Gast in Bayern und bei der CSU durchaus gut gelitten. Schon im Herbst 2015 hatte ihn die Landtagsfraktion eingeladen, ein Jahr später bot man ihm anlässlich des Jahrestags des Ungarnaufstands das Maximilianeum als Bühne. Als „einzigartige Waffenbrüderschaft“ pries er damals die ungarisch-bayerische Freundschaft. Zumindest mit Seehofer und vor allem dessen Vorvorgänger Edmund Stoiber verbindet ihn eine innige Beziehung.

Kritik auch aus der CSU

Doch selbst in der CSU-Landesgruppe waren nicht alle glücklich über die Einladung. So hatten sich die Abgeordneten Volker Ullrich aus Augsburg und Wolfgang Stefinger aus München im Vorfeld bereits skeptisch geäußert. „Wir müssen die EU zusammenhalten, da war Orbán in letzter Zeit leider nicht hilfreich“, hatte Stefinger dem Münchner Merkur gesagt.

Weniger erstaunlich ist die Kritik vonseiten der SPD und der Grünen. „Ich erwarte, dass Herr Seehofer ihm bei diesem Thema und auch bei den Themen Presse- und Meinungsfreiheit ganz klare Grenzen aufzeigt“, rief SPD-Chef Martin Schulz dem Sondierungspartner via Bild-Zeitung zu. Vor allem in der Flüchtlingspolitik verfolge Orbán eine „gefährliche Logik“.

Mehrere grüne Landtagsabgeordnete ließen es sich nicht nehmen, selbst nach Seeon zu reisen. Auf dem Parkplatz des Tagungsgeländes ließen sie dreihundert Europa-Luftballons steigen, während der Ungar im Kloster mit seinem Freund Seehofer speiste.

Er sei nicht der „Oberlehrer von Ungarn“, hatte sich Seehofer schon am Vortag für die Einladung Orbáns gerechtfertigt. „Wir sollten den Hochmut zurückstellen, wenn es um die Beurteilung anderer Länder geht.“ Orbán, der lupenreine Demokrat? Er sei überzeugt, dass er „auf dem Boden rechtsstaatlicher Grundsätze steht“, sagt Seehofer. Und überhaupt: Man müsse doch im Gespräch bleiben.

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