Oury Jalloh: 3.000 auf der Straße

Nie zuvor demonstrierten so viele Menschen für die Aufklärung des mutmaßlichen Mordfalls, der sich 2005 in Sachsen-Anhalt zutrug

Aus Dessau Christian Jakob

Etwa 3.000 Menschen haben am Sonntag in Dessau Aufklärung im Fall Oury Jalloh gefordert. Es war die bislang größte Demonstration am Jahrestag des 2005 in einer Polizeizelle verbrannten Sierra Leoners.

„Als wir 2005 gesagt haben, dass mein Freund ermordet wurde, haben sie uns für verrückt erklärt,“ sagte Mouctar Bah, der Gründer der Initiative Oury Jalloh. „Heute stehen wir hier mit Tausenden Menschen, die alle dasselbe sagen.“

Vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass die Dessauer Staatsanwaltschaft nunmehr davon ausgeht, dass der in Gewahrsam genommene Jalloh sich nicht selbst getötet haben kann. Stattdessen dürfte er von Polizeibeamten mit Brandbeschleuniger besprüht und angezündet worden sein. Damit könnten diese versucht haben zu vertuschen, dass Jalloh Verletzungen zugefügt worden waren, mutmaßt die Staatsanwaltschaft Dessau. Inzwischen liegt der Fall aber bei der übergeordneten Generalstaatsanwaltschaft Naumburg.

Jallohs Freund Bah schilderte am Sonntag die Schikanen, denen die Afrikaner in Dessau lange ausgesetzt waren, die Zweifel an der Selbstmordthese geäußert hatten. „Die Polizei ist in unseren Treffpunkt gekommen, wir wurden durchsucht, mussten uns nackt ausziehen. So hat man versucht, uns Schwarze zum Schweigen zu bringen.“ Viele der AktivistInnen und Freunde Jallohs seien im Laufe der Jahre abgeschoben worden.

Der Bruder des Toten, Salliou Mamadou Diallo, war für den Jahrestag aus Guinea nach Dessau gereist. „Seit 13 Jahren warten wir“, sagte er zum Auftakt der Demonstration. „Aber wir haben ein Recht zu erfahren, was geschehen ist. Sie müssen uns endlich die Wahrheit sagen.“

In der Nacht zum Samstag hatten Unbekannte eine Kampagne mit dem Namen „Oury Jalloh Stadt Dessau“ gestartet. Sie überklebten Autobahnschilder und Werbeflächen in der Stadt mit einem entsprechenden Schriftzug, neben dem das Gesicht des Toten Jalloh sowie ein Feuerzeug zu sehen war.

Die AfD hatte zu einer zeitgleich stattfindenden Protestkundgebung gegen die „Diskreditierung von Polizei und Justiz“ aufgerufen. Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus beobachtete die Kundgebung der AfD im Süden der Dessauer Innenstadt. Nach Angaben des Forums versammelten sich dort etwa 150 Menschen. Jalloh hätte nicht in einer Gewahrsamzelle sterben müssen, wenn er zuvor abgeschoben worden wäre, sagte nach Angaben des Forums ein Redner.

Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh rief die angereisten DemonstrantInnen explizit dazu auf, beim Passieren der AfD-Kundgebung nicht auf mögliche Provokationen einzugehen. „Wir machen hier keine Anti-AfD-Demo“, sagte ein Sprecher.

Der Demozug setzte sich um 15 Uhr in Bewegung. Zwischenfälle gab es bis dahin keine, die Polizei hielt sich zurück.