Polizei ließ Nazi-Sprüher walten

Unbekannte sprayen Nazi-Symbole in Chemnitz. Zwischendurch plauschen sie mit der Polizei – und machen weiter

Von Martin Kaul

Als der kurdische Bäckereibetreiber und Großhändler Yavuz Kaya aus Chemnitz an diesem Dienstagmorgen zu seinen Geschäftsräumen kommt, entdeckt er, dass seine Gebäude von außen beschmiert sind. Der 52-Jährige sieht dort, in roter Farbe, unter anderem: ein Hakenkreuz und den Schriftzug „NS Jetzt!“. An anderer Stelle des Gebäudes steht: „Tod und Hass“. Beim Wort Hass wählten die noch unbekannten Täter eine besondere Schreibweise: Die letzten beiden Buchstaben schrieben sie in der Runenvariante der Waffen-SS.

Dann geht Kaya in seine Geschäftsräume und wertet die Bilder seiner Überwachungskameras aus. Darauf ist auch zu sehen: wie ein Polizeiwagen sich nachts den Tätern nähert und einer der Täter sich mit den Beamten unterhält. Schließlich fährt die Polizei wieder weg – und die Täter sprühen in Ruhe weiter. So erzählt es Yavuz Kaya der taz am Telefon.

Gesehen hat das Video auch Tag24, ein Boulevardmagazin mit Lokalredaktion in Chemnitz, das als Erstes über den Vorfall berichtet hat. Die Äußerungen zum Hergang decken sich. Zwar soll auf dem Video, das auch die Polizisten zeigt, kein Graffiti zu sehen sein. Aus den Aufnahmen der weiteren Überwachungskameras soll allerdings hervorgehen, dass das Gebäude zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes schon beschmiert war.

Was Kaya schon weiß, will die Chemnitzer Polizei, die über die Videoaufnahmen ebenfalls verfügt, nicht kommentieren. Eine Polizeisprecherin teilte auf Anfrage nur mit, dass die Auswertung mehrerer Kameras derzeit noch laufe. „Erst danach kann eine Aussage dazu getroffen werden, zu welchem Zeitpunkt des Geschehens unsere Streife vor Ort gewesen ist.“

Derzeit ermittelt die Chemnitzer Polizei in der Sache offenbar für sich selbst. Eine Sprecherin der zuständigen Staatsanwaltschaft erfuhr am Donnerstag erst durch die taz von dem Vorgang.

Besonders beachtlich: Noch am Mittwoch rief die Polizei in Chemnitz Augenzeugen dazu auf, sich zu melden – die eigenen Beamten hatten offenbar bei der Abfahrt nicht mehr in den Rückspiegel geschaut. Immerhin eines hat die Polizei erkannt: Ein politischer Hintergrund der Tat könne nicht ausgeschlossen werden.