Stadtgespräch Erich Rathfelder aus Split
: Abschied von Predrag Lucić, Kroatiens unabhängigem Widerstandsgeist

Für die Journalistin Maja Sever ist alles klar. „Predrag Lucić war nicht nur ein wunderbarer, humorvoller Mensch, ein guter Journalist, ein hervorragender Autor, Poet und Regisseur, und ich muss sagen, er war auch ein schöner Mann.“ Der am 12. Fe­bruar 1964 in Split geborene Predrag Lucić wurde am Freitag zu Grabe getragen. Nicht einmal 54 Jahre alt ist er geworden.

Mehr als tausend Menschen waren zum Friedhof in Split gekommen, Linke aus allen Teilen des ehemaligen Jugoslawien. „Jugoslawien war unsere EU, erträumt von den Besten, zerstört von den Schlimmsten“, schrieb Predrag Lucić einmal. Für die kroatischen Nationalisten bleibt Predrag ein rotes Tuch. Selbst nach seinem Tod gibt es gehässige Kommentare. Wie vor 25 Jahren, als er die Verbrechen der kroatischen Truppen in Bosnien und Herzegowina geißelte, nachdem sie im Sommer 1993 in Ahmici über 100 Menschen in ihren Häusern eingeschlossen und lebendig verbrannt hatten.

Predrag, Gründer der legen­dären Satirezeitschrift Feral Tri­bune, die anarchistische, protestierende und häretische Stimme Kroatiens, wie sie sich selbst nannte, ist für die Rechten ein Nestbeschmutzer. Dagegen kristallisierte sich an Feral Tribune der Widerstandsgeist unabhängiger Menschen schon während des Kriegs der 90er Jahre heraus. Predrag und sein bester Freund und Mitstreiter, Boris Dežulović , wurden von allen unabhängigen Geistern der Region respektiert und von vielen wegen ihrer Unerschrockenheit als Vorbild angesehen. Viele von diesen Leuten sind zur Beerdigung gekommen, wie die Autoren und Journalisten Ahmed Burić und Senad Pećanin aus Sarajevo, Ervin Hladnik Milharčič aus Slowenien, die mit dem Portal tacno weiterhin unerschrocken gegen Nationalismus und Faschismus in Mostar kämpfende Štefica Galić, um nur einige von ihnen zu nennen.

Predrag war nach der Pleite von Feral TribuneAnfang des Jahrtausends weiterhin gut vernetzt, schrieb für unabhängige Medien in der gesamten Region. Mit Dichterlesungen und Vorträgen versuchte er seine Familie – Frau und drei Kinder – durchzubringen. Er machte sich auf, in seinem alten Beruf neue Türen aufzustoßen – vor dem letzten Krieg hatte er in Belgrad Regie studiert. Seine Theaterstücke in Sarajevo, Tuzla und Belgrad wurden zu einem großen Erfolg.

„Es gab auch Rückschläge“, erinnert sich der zutiefst traurige Mitstreiter Boris. Zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs im Mai 2015 lasen Predrag und einige Schauspieler Texte über Faschismus von Umberto Eco im Peristil, dem historischen Zentrum Splits. Predrag wollte vor dem Wiederaufstieg des Faschismus in Europa warnen. Es kamen nur wenige Leute, alle aus der Szene. „Wir sind nur 50 bis 70 Leute in Split, die so denken wie wir“, sagte er damals dem Autor dieses Artikels.

Predrag war niedergeschlagen und empfand sich am politischen Tiefpunkt. Kurze Zeit später erkrankte er. Sein Humor und seine Schärfe, wie im Buch „Anthologie der kroatischen Dummheit“ ausgedrückt, werden aber bestehen bleiben, meint nicht nur die Journalistin Maja Sever.