Fremdes Geld verschenkt man nicht

Vor fünf Jahren begannen die strafrechtlichen Ermittlungen wegen dubioser Spendegeschenke gegen den Diepholzer Landvolk-Boss Lothar L. Das Landgericht Verden hat ihn jetzt wegen einfacher Untreue verurteilt. Ins Gefängnis muss er aber nicht

Windkraftanlagen sind in Niedersachsen ein gutes Geschäft: Lothar L hat Agrarflächen für solche Anlagen vermarktet, mithilfe von verirrten Spendengeldern Foto: Stefan Rampfel/dpa

Von Benno Schirrmeister

Lothar L. hatte beim Schlusswort des Angeklagten noch geschluchzt, aber es war klar, dass sich das nicht mildernd aufs Urteil auswirken würde.

Die Plädoyers der Verteidiger Reinhard Schlotheuer und Lea Voigt hatten hingegen eine starke rhetorische Wucht entfaltet und es beinahe noch geschafft, das komplette Strafverfahren auf den Kopf zu stellen: Danach war voller Euphorie eine der Töchter des Hauptangeklagten nach vorne geeilt und hatte ihren Vater Lothar L. – gimme five – abgeklatscht, so siegessicher war man sich auf jener Seite des Saals.

Den Untreue-Vorwurf gegen den ehemaligen Vorsitzenden des Diepholzer Landvolk-Vereins wiesen dessen Bremer Anwälte komplett zurück, obwohl er anfangs, so Verteidiger Schlotheuer, selbst gedacht habe, „man darf doch nicht einfach 1,1 Millionen Euro fremdes Geld weggeben“. Darf man wirklich nicht, fand die Neunte Strafkammer des Verdener Landgerichts gestern und verurteilte Lothar wegen einfacher Untreue in zwei Fällen zu einem Jahr und acht Monaten, seinen Mitangeklagten Wilhelm B., den Vereins-Geschäftsführer, wegen Beihilfe zu immer noch einem halben Jahr Freiheitsstrafe. Der hat gegenüber der taz bereits angekündigt, Rechtsmittel einzulegen.

Noch am Dienstagmorgen hatte eine Gefängnisstrafe, also eine Verurteilung von über zwei Jahren als Möglichkeit im Raum gestanden, wegen Untreue in zwei besonders schweren Fällen. Ein besonders schwerer Fall beginne, daran erinnerte Oberstaatsanwältin Dagmar Schubert, nach bundesrichterlicher Auffassung bei einem Vermögensverlust von 50.000 Euro.

„Wir haben es hier aber in einem Fall mit dem Doppelten, im anderen sogar mit dem 20fachen dieser Summe zu tun“, so Schubert. Vom Beispielfall müsse man aber abweichen, hatte Richter Markus Tittel in seiner Urteilsbegründung erklärt: So habe die Kammer die Ausführungen der zwei Angeklagten als umfassendes Geständnis gedeutet und zudem berücksichtigen müssen, „dass die Fälle wirklich sehr lange zurück liegen“: Verhandelt worden war über Vorgänge des Frühjahrs 2009, die Strafverfolgung hatte erst Ende 2013 eingesetzt.

Ursprünglich war sogar von einem Schaden von sechs Millionen Euro die Rede gewesen. Erhärtet wurde der Verdacht auch durch einen Vergleich in einem dem Strafprozess vorgeschalteten Zivilverfahren: Vor dem Oberlandesgericht Celle hatte Lothar L. im April 2017 schließlich eingewilligt, die vom Landvolk-Verein geforderte Summe zu begleichen.

Dumm gelaufen für die Angeklagten, denn: Der Strafprozess hatte diese Ansprüche seit Dezember 2017 nun nachträglich doch stark erschüttert.

Zur Rede standen gestern noch zwei Spenden: Völlig eigenmächtig hatte Lothar L. der Edmund Rehwinkel-Stiftung 100.000 Euro spendiert. Wilhelm B. unterstützte ihn dabei, am 29. April desselben Jahres eine glatte Million an die Deutsche Stiftung Kulturlandschaft zu überweisen.

Beide Stiftungen sind eng verbunden mit dem Deutschen Bauernverband, in dem der Landvolk-Verein Mitglied ist.

Das Geld hatte eine 2001 gegründete Dienstleistungs GmbH erwirtschaftet. Deren Geschäfte führte Lothar L. ehrenhalber und unentgeltlich. Ihre Aufgabe war es, zusammen mit einer analog strukturierten Betriebs-Gesellschaft, die Vermarktung von Agrarflächen für Windkraft in Gang zu bringen.

„Der duldete keinen Widerspruch“, hatten MitarbeiterInnen übereinstimmend über Lothar L. ausgesagt

Das hatte gut funktioniert: Die Dienstleistungsgesellschaft machte Millionenprofite. Aus denen hatte Lothar L. schließlich freihändig seine mildtätigen Ausgaben bestritten – und damit, so die Auffassung der Staatsanwältin, gegen den Gesellschaftervertrag verstoßen.

Der verbot dem Geschäftsführer – also Lothar L. – ausdrücklich, Investitionen von mehr als 10.000 D-Mark ohne Rücksprache mit dem gesamten Vorstand des Landvolkvereins als Gesellschaftern der Dienstleigungs-GmbH zu tätigen. Dass Spenden keine Investitionen seien, argumentierte etwas spitzfindig Verteidiger Schlotheuer.

Die Oberstaatsanwältin war da anderer Auffassung: „Lothar L. hätte eine Gesellschafterversammlung dafür einberufen müssen“, stellte sie klar. Und sein Mittäter Wilhelm B. hätte die Möglichkeit gehabt, den übergangenen Vorstand einzuschalten. In seiner Aussage hatte B. betont, darauf bestanden zu haben. „Ich gehe aber nicht davon aus, dass er es ernsthaft versucht hat“, so die Oberstaatsanwältin, die mehr Mitgefühl mit Lothar L. hatte durchblicken lassen: „Lothar L. steht vor den Trümmern seines lebenslangen beruflichen und ehrenamtlichen Engagements“, hatte Schubert betont.

Die Kammer folgte ihr in der gesellschaftsrechtlichen Frage – bewertete aber Wilhelm B.s Rolle anders. Immerhin war Lothar L. im Prozess als jemand geschildert worden, dessen Rolle im Diepholzer Landvolkverein der entsprochen habe, die der Papst in der katholischen Kirche spielt: „Der duldete keinen Widerspruch“, hatten MitarbeiterInnen übereinstimmend ausgesagt.

Der Vorsitzende Richter Markus Tittel resümierte die Sicht der Kammer nach dreistündiger Beratung so: „Wir haben keine Zweifel, dass Herr Lampe eine Vermögensbetreuungspflicht hatte“, so resümierte er „Und wir haben auch keine Zweifel, dass er sie durch Hingabe der Spende verletzt hat.“