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Weinprobe
Michael Pöppl
: Kunst in Flaschen
und an den Wänden

Versteckt zwischen dem Sportgelände an der Cantianstraße und der verkehrsreichen Schönhauser Allee findet man die Weingalerie von Joachim Rong. Die Galerie im Namen kann man wörtlich nehmen, im vorderen Teil der hohen Altbauräume hängen Lieblingsgemälde des Ladenbesitzers, in zwei Zimmern nebenan Fotos von Falk Mechelt, Straßenszenen und Porträts im Renaissancestil von Gewerbetreibenden aus der Nachbarschaft. Vor allem Künstler aus dem Kiez sind bei den wechselnden Ausstellungen vertreten, die Vernissagen mit Weinbegleitung sind gut besucht.

Der Laden gibt sich schlicht, aber lauschig: Hölzerne Weinkisten dienen als Regale für die vollen und auch leeren Flaschen. Am großen alten Holztisch finden auch regelmäßig Weinverkostungen statt, wie Joachim Rong erzählt. Der gebürtige Bremer ist Quereinsteiger, wie viele Weinladenbesitzer. Den Geschmack an gutem Wein fand er früh, in jungen Jahren war er gerne in Frankreich auf Reisen, wo er auch seine Vorliebe für Bordeaux entdeckte. Nach dem Betriebswirtschaftsstudium arbeitete er als Controller bei großen Konzernen. Ein Bekannter erzählte ihm 2009 vom leerstehenden Geschäft in der Gaudystraße. „Ich habe mir die Räume angesehen, den Mietvertrag unterschrieben und meinen Job gekündigt“, erzählt Rong.

In den Regalen findet man rund 200 verschiedene Weine aus ganz Europa, auch einige aus Übersee. Dazu Crémant und Champagner und einige besondere Brände. Schwerpunkt des Angebots sind aber die französischen und deutschen Winzer, meist kleine Betriebe, deren Macher er oft persönlich kennt. „In den ersten Jahren bin ich gerne mal in Weingegenden rumgefahren und habe Winzer besucht und ihr Sortiment verkostet“, sagt Rong. Die Auswahl der Flaschen im Laden verändert sich langsam, aber stetig, immer wieder entdecke er neue spannende Winzer, auf Reisen, bei Weinmessen oder beim Essengehen. Solche wie den Pfälzer Christoph Hammel, der das Familienweingut in Kirchheim an der Weinstraße führt. Der unangepasste Hammel ist in der Szene bekannt für seine provokativen Facebook-Posts, aber auch für seine ungewöhnlichen Weine.

„Hammel baut dann auch mal eine Scheurebe trocken aus, die gibt es sonst nur halbtrocken“, sagt Rong und schenkt ein Glas davon ein, seine erste Empfehlung für die taz-Leser. Im Glas liegt ein intensiver Duft nach Citrusaromen, Apfelblüten, etwas Muskat und Pfeffer, auf der Zunge bleibt eine leichte Restsüße erkennbar, dazu kommt eine muntere grüne Säure vom Apfel sowie ein mineralischer Nachklang an der Zungenspitze. Diese Scheurebe ist eine echte Offenbarung, ungewöhnlich und sehr harmonisch. Man kann sie solo trinken und auch gut zu scharfem asiatischem Essen.

Rongs zweiter Tipp ist ein Bordeaux, den der deutsche Winzer Henri Lüddecke in der Girond-Region produziert. 1994 kaufte die Familie aus der Nähe von Braunschweig das französische Weingut Chateau Perayne bei Saint André du Bois und produziert dort seitdem naturnahe Weine, aufs Biosiegel verzichtet man bewusst. Die Tüpfelchen über dem „U“ haben die Luddeckes inzwischen verloren, aus naheliegenden sprachlichen Gründen. Ihr Chateau Perayne von 2009 kostet unter 10 Euro, wie Rong betont, durchaus günstig und dennoch ein Klassiker. Im Glas zieht der klassische Bordeaux lange dichte Schlieren, er riecht erdig und schmeckt zurückhaltend, fast schon schüchtern, man erahnt dezente rote Beeren und frische grüne Peperoni.

Nach circa einer halben Stunde an der Luft wird der Wein aber deutlich intensiver mit vollem Bukett und macht richtig Spaß. Dekantieren lohnt sich also auf jeden Fall.

Joachim Rong – Weingalerie: Gaudystr. 25, 10437 Berlin-Prenzlauer Berg, Tel. (030) 53 09 57 06, www.joachimrong.de

Das Angebot für taz-Leser: Beim Kauf von 11 Flaschen „Scheurebe 2016“ vom Weingut Hammel (0,75 l für 8,50 Euro) oder von 11 Flaschen „Chateau Perayne 2009“ von Henri Luddecke (0,75 l für 9 Euro) erhalten Sie die zwölfte Flasche gratis dazu.