Ausstellungsempfehlung für Berlin: Fenster, die keine sind

In der Galerie WNTRP treten Arbeiten von Paul Kuimet und Nina Schuiki in den Dialog. Die taz sprach mit Kurator Nico Anklam

Paul Kuimet, „Untitled Transparencies“, 2017 (Installationsansicht) Foto: Trevor Good; Courtesy the artists and WENTRUP, Berlin

Paul Kuimet, geboren 1984 in Tallin, arbeitet mit Film und fotografischer Installation, Nina Schuiki, geboren 1983 in Graz, mit Installation, Objekt und Fotografie. Wie gut sich die beiden Positionen ergänzen, wie sie fast pingpongartig aufeinander Bezug zu nehmen scheinen, lässt sich derzeit bei WNTRP beobachten.

Dabei treffen Künstler und Künstlerin in der Schau „Space Coordinates“, kuratiert von Nico Anklam, erstmals aufeinander. Kuimet und Schuiki verbindet das Interesse an Raum und Zeit, deren Prinzipien sie gleichsam auf den Kopf stellen. Dazu nutzen beide den Loop, der ebenso verdichtet wie ins Unendliche dehnt.

So wie in Kuimets Film „2060“, in der eine möbiusbandförmige Plastik des estnischen Künstlers Edgar Viies um sich selbst kreist, oder in Schuikis Audioarbeit „Faulenzer“, der permanenten Wiederholung von Fülllauten aus Sprachnachrichten.

Interessant auch die Vorliebe der beiden für Fenster, die keine sind: Kuimet wirft Dias von Fenstern an traditionellen Holzhäusern, die zugebaut wurden, an die Wand, was an Duchamps mit schwarzem Leder verklebtes Fensterobjekt „Fresh Widow“ (1920) denken lässt, nur dass Kuimet nicht selbst Hand anlegte.

Bei Schuki ist das Fenster indes von vornherein eine Illusion. „Notes on Duration (No. 3)“ wirkt nur wie der Lichteinfall durch gläserne Scheiben. In Wirklichkeit handelt es sich um die Fotografie einer Projektion.

Einblick (708): Nico Anklam, Kunsthistoriker und Kurator

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Nico Anklam: Beim aktuellen Regen wünsche ich mich in Nele Heinevetters Raum Tropez im Sommerbad Wedding zurück – zum Glück macht sie ab Juni weiter. Passend zum Winter: In den KW hatten Krist Gruijthuijsen und Maurin Dietrich just eine elegante Willem-de-Rooij-Ausstellung gezeigt. Die Schlittenhund-Soundarbeit im großen Raum – wunderbar.

Galerie WNTRP

Di.–Sa. 11–18 Uhr

Bis 3. 3., Potsdamer Str. 91

Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?

Der DAAD hat momentan den litauischen Komponisten Arturas Bumsteinas zu Gast. Sein Konzert in der Akademie der Künste für ein stummes Probeklavier war fantastisch. Einfach nach ihm Ausschau halten!

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den Alltag?

Das Magazin The New Yorker – seit Jahren im Abo. Und ich lese gerade „The Ice Museum“. Darin forscht die walisische Autorin Joanna Kavenna „Thule“ nach dem „Atlantis“ des Nordens.

Was ist dein nächstes Projekt?

Nico Anklam (*1981) ist Kunsthistoriker und Ausstellungsmacher. An der UdK Berlin unterrichtete er Kunsttheorie und hat als Kurator an René Blocks Kunsthal 44 Møen gearbeitet sowie Projekte am Rietveld Pavilion in Amsterdam und bei YEARS in Kopenhagen realisiert. Sein Performanceprogramm zu dem Fluxus-Komponisten Henning Christiansen wurde zuletzt in Dänemark und Norwegen gezeigt. Für die nächsten drei Jahre ist er Fellow der THEORIA-Forschungsgruppe „Die Malerei der Romantik in Nordeuropa in ihren transkulturellen Bezügen” an der Universität Greifswald und arbeitet zur Kunst- und Bildgeschichte Dänemarks und dessen ehemaligen Kolonien.

Das Landesmuseum in Greifswald eröffnet im März eine große Ausstellung dänischer Malerei des 19. Jahrhunderts aus der Schenkung Christoph Müller – unsere Forschungsgruppe ist beteiligt am Katalog und der wissenschaftlichen Aufarbeitung.

Ich konzentriere mich auf den nordischen Orientalismus und die Frage, ob sich der Klang in den Bildern beschreiben lässt. Außerdem werde ich mit dem dänischen Künstler Søren Aagaard eine Ausstellung auf einer unbewohnten Insel in Schottland angehen.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten Freude?

Das Radio! Im Augenblick höre ich mich durch Krista Tippetts „On Being“. Die Folge mit dem queeren Rabbiner Amichai Lau-Lavie und seiner Pop-up-Synagoge in New York ist das Lebensbejahendste was ich seit Langem gehört habe.

Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.