Ärzte wollen Biblis abschalten

Mediziner gegen den Atomkrieg legen Mängelliste des Reaktors B mit 49 Sicherheitsrisiken vor. Anlage sei verfassungswidrig, störanfällig, altersschwach

FRANKFURT/MAIN taz ■ Das AKW Biblis B müsse schnellstens stillgelegt werden, fordern die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW). Sie legten eine Liste mit 49 gravierenden Mängeln vor und reichten einen Stilllegungsantrag bei der hessischen Atomaufsicht ein. Der weitere Betrieb sei verfassungswidrig.

Die Anlage, so die Vorsitzende Angelika Claußen, sei völlig unzulänglich gesichert, „störanfällig und altersschwach“, entspreche nicht im entferntesten heutigen Sicherheitsstandards. Sie sei weder erdbeben- noch hochwassersicher, die Notstandssysteme der Stromversorgungen hätten schon einmal im Februar 2004 katastrophenträchtig versagt. Bereits im Dezember 2003 habe der IPPNW einen Hinweis auf diese Gefahr gegeben, der ignoriert worden sei. Das habe im Februar 2004 „fast zu einem Super-GAU“ geführt, weil die Notstromversorgungen durch einen Kurzschluss nach einem Unwetter allesamt ausgefallen seien und nur der „letzte Notnagel“, ein völlig unzuverlässiger Notstromdiesel, funktioniert habe.

IPPNW stützt sich mit seiner Forderung auf das Kalkar-Urteil: 1978 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Sicherheitsstandards von AKWs dem jeweils neuesten technischen Stand entsprechen müssen. Das sei, so die Ärzte, auch durch Nachbesserungen in Biblis nicht erreicht worden. Die Rechtsauffassung der Atomindustrie, dass Eigentumsrecht und Berufsfreiheit entgegenstehen, sei falsch, sagte Claußen: „Leben und Gesundheit gehen vor!“ Sollte der Antrag von der Atomaufsicht abgewiesen werden, so Rechtsanwältin Wiltrud Rülle-Hengesbach, dann werde man dagegen beim Verwaltungsgericht klagen. Allerdings sei man bereit, der Behörde wegen der „komplexen Materie“ auch mehr als die vorgeschriebenen drei Monate Zeit für ihre Entscheidung zu lassen. HEI