Streit um Kopfsteinpflaster im Viertel: Steine des Anstoßes

Die Stadt will Kopfsteinpflasterstraßen asphaltieren. Doch dagegen wehren sich Viertel-BewohnerInnen. Nun wollen die Kontrahenten gemeinsam Kompromisse erarbeiten.

Eine Straße mit Kopfsteinpflaster im Bremer Steintorviertel.

Kopfsteinpflaster im Viertel: Gift für die Barrierefreiheit oder Gold für das historische Stadtbild? Foto: Jean-Philipp Baeck

BREMEN taz | AnwohnerInnen aus dem Viertel sehen ihr historisches Stadtbild in Gefahr: Überall dort, wo Straßen wegen Kanal- und anderer Bauarbeiten aufgerissen werden, soll das Kopfsteinpflaster einem Asphaltbelag weichen. So hieß es zumindest in der Senatsantwort auf eine Anfrage der Linksfraktion Ende Juni vergangenen Jahres. Doch jetzt könnte noch einmal Bewegung in die Sache kommen – und das Bauressort den Anwohnerinitiativen wieder näherkommen. Am Dienstag trafen sich Gegner und Befürworter des strittigen Straßenbelags erstmals, um an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten.

Mit am Tisch saßen Fraktionsmitglieder der Beiräte Mitte und Östliche Vorstadt, die Orts­amtsleiterin Hellena Harttung, Bau- und Verkehrsstaatsrat Jens Deutschendorf, der Präsident der Bremer Architektenkammer, Albrecht Genzel vom ADFC, der Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück und drei Vertreter der Bürgerinitiative „Stadtbild Bremen“, darunter auch Anwohner Klaus Schlösser.

„Im März letzten Jahres ging das los mit der Bürgerini“, sagt er. Als damals AnwohnerInnen mit der Ortsamtsleiterin zusammenkamen, habe eine Mitarbeiterin des Amts für Straßen und Verkehr verkündet, „sie hätte die Weisung, uns mitzuteilen, dass künftig asphaltiert wird“, erinnert sich Schlösser: „Das war kein Dialog.“

Seine Initiative bemängelt die Transparenz: „Es wird immer damit argumentiert, dass Asphalt billiger ist, aber es gibt den nachvollziehbaren Verdacht, dass das Straßen- und Verkehrsamt noch nie transparent mit den tatsächlichen Kosten umgegangen ist“, sagt er. So habe eine andere Initiative ermittelt, dass das Amt doppelt so hohe Kosten veranschlagt habe als nötig. Schlösser fordert für die Ausschreibung in der Hollerstraße, dass beide Varianten geprüft werden.

Doch selbst wenn die Kalkulationen nicht stimmen, bleibt Kopfsteinpflaster – zumindest in puncto Verlegung – teurer als Asphalt. Außerdem gibt es auch Argumente gegen Kopfsteinpflaster: Es ist laut und ungeeignet für Fahrräder, Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen.

Joachim Steinbrück, Landesbehindertenbeauftragter

„Hier ist eine professionelle Betrachtungsweise wichtig“

Das bemängelt auch der Landesbehindertenbeauftragte Steinbrück. Er sieht in dem runden Tisch „eine Chance, zu einer Lösung zu kommen, die alle Ansprüche unter einen Hut bekommt“. Dafür müssten aber alle Teilnehmenden bereit sein, „andere Perspektiven zu akzeptieren, denn de facto sind Großsteinpflaster und Barrierefreiheit nicht miteinander vereinbar“. Um das Problem plastisch zu machen, will Steinbrück bei einem der kommenden Treffen einen Spaziergang mit Rollstuhl und Rollator durch das Viertel machen.

Zum nächsten Treffen ist Bremens Chef-Denkmalpfleger Georg Skalecki eingeladen: „Ich verspreche mir von seiner Anwesenheit viele Anregungen, denn hier ist eine professionelle Betrachtungsweise wichtig“, sagt Steinbrück. Schließlich seien historische Gebäude ja ebenfalls in zeitgemäßem Gebrauch, „durch Geländer oder elektrisches Licht – und Barrierefreiheit zählt ebenfalls dazu, das ist ja kein Luxusproblem“.

Ein Luxusproblem sieht Schlösser umgekehrt auch nicht in dem Wunsch, das „alte“ Viertel zu erhalten: „Höchstens vielleicht ein bisschen Nostalgie – aber es ist doch schön, wenn sich die Menschen mit ihrem Viertel identifizieren“, findet er. „Das ist doch ein Stück lebendige Stadtgeschichte.“

Moratorium bis Juni

Bis Juni wollen sich die Beteiligten noch fünf Mal treffen. „Bis dahin werden keine Nägel mit Köpfen gemacht“, sagt Jens Tittmann, Sprecher von Bausenator Joachim Lohse (Die Grünen). Der Staatsrat habe ein Moratorium erstellt, Hansewasser sei informiert, erst einmal keine Bauarbeiten zu beginnen, „und wenn es einen Notfall geben sollte, kommt eine dünne Asphaltdecke drauf, die wieder entfernt werden kann“.

Staatsrat Deutschendorf sei sehr an einer konstruktiven Lösung interessiert, so Tittmann. „Stadtgestaltung ist ein sehr wichtiger Aspekt, bei dem man nicht nur nach dem Geldbeutel schauen darf.“ Am 13. Februar wollen sich die TeilnehmerInnen des runde Tisches auf einer gemeinsamen Sitzung der beiden Beiräte öffentlich vorstellen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.