Kommentar Pressefreiheit in der Türkei: Zum 365. Mal: Free Deniz!

Deniz Yücel sitzt seit einem Jahr in Haft. Warum seine Freilassung so wichtig ist – für ihn, für alle inhaftierten Journalisten und für die Pressefreiheit.

Deniz Yücel in einer Menschenmenge

So frei soll er wieder sein: Deniz Yücel mit einigen KollegInnen Foto: Karsten Thielker

Der 14. Februar 2017 war ein schlechter Tag, weil damals Deniz Yücel die Freiheit geraubt wurde. Der Korrespondent der Welt ging ins Polizeipräsidium von Istanbul, um sich einer Befragung zu stellen. Sie ließen ihn nicht mehr gehen. Sie: die Polizei, die Justiz, dieser Staat des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Damals: weil er jetzt schon ein Jahr gefangen ist.

Und deshalb ist auch der 14. Februar 2018 ein schlechter Tag. Deniz Yücel, früher Redakteur der taz, lebt eingezwängt in einer Einzelzelle des Gefängnisses von Silivri bei Istanbul. Er teilt mit dem Gefangenen aus der Nachbarzelle einen winzigen Hof. Er darf alleine Fußball spielen, mit Anwälten sprechen und einmal in der Woche seine Frau sehen, Dilek Mayatürk-Yucel, sie haben im Gefängnis geheiratet.

Deniz Yücel denkt schnell, bewegt sich schnell, redet schnell. Manchmal hat man früher gedacht: Du rauchst im Grunde, um dich ein wenig zu bremsen. Ausgerechnet dieser Mann sitzt.

Seit einem Jahr.

Zum Jahrestag der Festnahme des in der Türkei inhaftierten Welt-Korrespondenten Deniz Yücel nährt der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim Hoffnung auf baldige Bewegung in dem Fall. „Ich bin der Meinung, dass es in kurzer Zeit eine Entwicklung geben wird“, sagte er in einem Interview der Tagesthemen, das am Mittwochabend gesendet werden sollte. Eine Entscheidung über die Freilassung treffe nicht er, sondern die Gerichte, erklärte Yildirim. Er ergänzte aber: „Ich hoffe, dass er in kurzer Zeit freigelassen wird.“ Yildirim wird an diesem Donnerstag zu Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet. (epd)

Als die deutschen Medien damit konfrontiert wurden, dass ein Korrespondent in der Türkei als Geisel gehalten wird, war das neu. Es gab den Impuls, sich zu solidarisieren, indem man Artikel schreibt oder twittert oder hupt. So ist die medienübergreifende Kampagne entstanden, die FreeDeniz heißt.

Aber vor allem am Anfang zögerten einige. Riskieren Journalisten, die mit einer Kampagne verschmelzen, nicht ihre Glaubwürdigkeit? Es heißt doch, dass sich kein Reporter mit einer Sache gemein machen soll, auch nicht mit einer guten? Die Frage ist beantwortet. Die Pressefreiheit ist unsere Sache. Wenn ein Journalist eingesperrt wird, schweben alle in Gefahr.

Die zweite Frage drehte sich um die anderen in der Türkei inhaftierten Journalistinnen und Journalisten. Ist es nicht zynisch, über Deniz Yücel so viel zu schreiben, wenn doch so viele andere gefangen genommen wurden? In der taz trugen wir dem Rechnung, etwa indem wir die Namen anderer Inhaftierter auf eine Titelseite druckten. Wer auf Twitter #FreeDeniz schrieb, tippte daneben #FreeThemAll oder #FreeTurkeyMedia.

Ein Jahr später hat sich gezeigt: Die Kampagne für ­Deniz Yücel ist eine für ihn, aber auch eine Kampagne für die Pressefreiheit. Personalisierung und Nähe schafft Öffentlichkeit. Und wenn wir über den einen sprechen, sprechen wir auch über die anderen. Etwa wenn Fatih Polat, Chefredakteur der unabhängigen Zeitung Evrensel, über die Knebelung der Presse berichtet.

Da sind wir schon bei der dritten Frage. Sie betrifft Deniz Yücel und unser Verhältnis zu ihm. Wenn er auf T-Shirts gedruckt wird, auf Sticker, wenn er weichgezeichnet wird zum Helden, entfernt er sich dann nicht von uns? Das Problem mit der Distanz löst er selbst, er überwindet sie. Indem er erzählt aus dem Gefängnis, vom Essen, vom Lesen. Indem er seine Sprache mit uns teilt, seinen Humor, seine Meinung.

Insofern ist der 14. Februar 2018 ein schlechter Tag, aber kein ganz schlechter. Quasi: den Umständen entsprechend.

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