200 Jahre Marx: So what?

Werner Plumpe, Wirtschaftshistoriker, und Ulrike Herrmann, taz-Autorin, streiten über die Aktualität einer Theorie

Karl Marx Foto: Archiv

Marx“ – das ist der Name der Währung eines theoretischen Gebäudes, an dem in den 70er Jahren kein Vorbeikommen war. Wer nicht „marxistisch“ argumentierte, hatte, ob in akademischen Milieus oder in sozialen Bewegungen, so gut wie keinen Stand. Wie steht es um die Aktualität einer Analyse des Kapitalistischen, die von Karl Marx (und Friedrich Engels) im 19. Jahrhunderts begründet wurde?

Muss man beiden anlasten, dass aus ihren Befunden, praktisch in Russland zum Sozialismus geronnen, auch der Stalinismus wurde, eines der blutigsten Regime des 20. Jahrhunderts?

Ulrike Herrmann, taz-Wirtschaftskorrespondentin, plädierte in vielen ihrer Texte in der taz für die analytischen Anregungen, die Karl Marx formuliert hat.

Sie weiß, dass der Kapitalismus nicht durch einen Beschluss von irgendeinem linken Plenum suspendiert werden kann. Kapitalismus ist eben auch eine Ökonomie, die Profit zur Grundlage hat, aber zugleich eine gigantische Wohlstandsmaschine für so gut wie alle Menschen – gleich wo sie leben – sein kann.

Auf die Frage, wer mit ihr über Marx’ Aktualität zu dessen 200. Geburtstag streiten solle, wer im wirtschaftspolitischen Diskurs am klügsten die Dinge des Kapitalistischen anders als sie sieht, nannte sie: Werner Plumpe. Dieser hat in der Tat versierte Kritiken an den theoretischen Ausführungen des „Marxismus“ und besonders ihres Begründers verfasst. Seit 1999 lehrt er als ordentlicher Professor in Frankfurt am Main. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Neuzeit, die Unternehmens- und Industriegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, die Geschichte der Industriellen Beziehungen sowie die Geschichte des ökonomischen Denkens und der ökonomischen Theorien. Wir erhoffen uns von beiden – einen Marx’ würdigen Disput.

Die Philosophin Agnes Heller lieferte auf dem taz lab 2011 eine alternative These: Ist der Sozia­lismus nicht längst da? Im Kapitalismus selbst? Ist nicht jede Verbesserung der Lebensbedin­gungen des Proletariats ein Schritt zu dem, was Karl Marx nur als Vision in Worte gefasst hat? Jan Feddersen