berliner szenen
: Der Pinkler und der Spucker

In dem Mietshaus, in dem ich wohne, gab es schon ein paar Verhaltensauffälligkeiten seitens Unbekannter zu bestaunen, die die Hausgemeinschaft herausforderten. Wir hatten mal einen Hakenkreuzschmierer, der seine Krakeleien an jedem im Hausflur ausgehängten Schreiben hinterließ. Und einen Kinderwagenbepinkler, der seine Notdurft ganz offensichtlich gezielt an im Hausflur abgestellten Babykutschen verrichtete.

Nichts Besonderes also, wir sind hier in Berlin, und wenn man so hört, dass in anderen Häusern Kinderwagen schon mal angezündet werden, ist so eine Pinkelei nachgerade harmlos.

Zuletzt war es recht ruhig im Haus, Kinderwagen lässt niemand mehr außerhalb seiner Wohnung herumstehen und Zettel hingen schon eine Weile nicht mehr aus. Nun gibt es aber eine neue Kuriosität zu bestaunen: Ein Spucker treibt bei mir im Haus sein Unwesen. Seit einer Weile werden mit großer Akribie die Wohnungstüren der ersten beiden Stockwerke flächendeckend bespuckt. Weiß-durchsichtiger Glibber, getrocknet oder noch relativ frisch, ziert die Türen von oben bis unten. Das wirft natürlich viele Fragen auf: Sind der Hakenkreuzschmierer und der Pinkler ein und dieselbe Person, die sich nun einfach eine neue Beschäftigung gesucht hat? Trägt da jemand sein Hauslama spazieren? Gibt es eine mit dem Tourette-Syndrom vergleichbare Erkrankung, die ein ungehemmtes Spucken in der Öffentlichkeit bedingt? Oder will der Spucker irgendwie mit uns Hausbewohnern kommunizieren?

Vielleicht spuckt er ja echte Botschaften an die Haustüren, so eine Art Spuck-Graffiti, so genau haben wir das noch nicht untersucht. Was natürlich auch daran liegt, dass massenhaft tropfende Speichelfäden, die langsam an den Haustüren herunterrinnen, wirklich kein besonders attraktiver Anblick sind.

Andreas Hartmann