Hilfsgelder der Europäischen Union: Abschottung geht vor Entwicklung

Haushaltskommissar Oettinger will die Hilfe für arme Länder künftig außenpolitischen Zielen unterordnen. Europaparlamentarier laufen Sturm dagegen.

Viele Menschen sitzen in orangen Rettungswesten in einem überfüllten Schlauchboot

Mit der Änderung könnte noch mehr Geld in die Aufrüstung der Grenzen fließen Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Die EU-Kommission will die Hilfe für Afrika und andere arme Länder und Regionen der Außen- und Sicherheitspolitik unterordnen und das eigenständige Entwicklungshilfebudget abschaffen. Dies geht aus einem Brief der Brüsseler Behörde hervor, der der taz vorliegt. Wird die EU-Entwicklungshilfe zum verlängerten Arm der europäischen Großmachtambitionen und der neuen Abschottungspolitik?

Dies fürchten viele Europaabgeordnete, die Sturm gegen den Entwurf laufen. Damit werde „die schon seit Jahren zu beobachtende Zweckentfremdung von EU-Entwicklungsgeldern vereinfacht und beschleunigt“, kritisiert die grüne Europaabgeordnete Barbara Lochbihler. „Diese Pläne schaden der politischen Glaubwürdigkeit ebenso wie der Haushaltstransparenz“, sagte sie der taz.

In dem unveröffentlichten Schreiben vom 1. März fordern Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU), beim künftigen EU-Budget für 2021–2027 „einige schwere Entscheidungen“ zu treffen und diese mit „einem hohen Maß an Disziplin“ nach außen zu vertreten.

Konkret geht es darum, den Vorrang der Außenpolitik durchzusetzen und die Entwicklungshilfe auf neue, umstrittene Ziele zu verpflichten. Dazu sollen zwölf bisher eigenständige Haushaltslinien, die sich mit Entwicklungspolitik, Demokratie und Menschenrechten befassen, unter einem einzigen, neuen Budgettitel zusammengefasst werden.

Fokus auf Migration

Das sogenannte außenpolitische Instrument soll sich nicht nur stärker auf die Nachbarschaft (zum Beispiel die Ukraine oder Georgien) konzentrieren, womit traditionelle Hilfsempfänger etwa in Afrika oder Asien in den Hintergrund rücken würden. Es soll auch „einen starken Fokus auf Migration“ bekommen, wie es in einem Anhang heißt.

Nicht genutzte Mittel sollen demnach vor allem in die Flüchtlingspolitik fließen – also in die Aufrüstung der EU-Außengrenzen und in sogenannte Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Ländern. Bei einem Sondergipfel zum EU-Budget Ende Februar bekamen Juncker und Oettinger dafür grundsätzlich grünes Licht. Auch beim Treffen der EU-Außenminister, zu dem am Montag erstmals der neue deutsche Ressortchef Heiko Maas (SPD) nach Brüssel reist, dürfte es keinen Widerspruch geben. Schließlich wird die Außenpolitik mit der Budget­reform gestärkt.

Wird die EU-Hilfe zum verlängerten Arm europäischer Großmachtambitionen?

Doch nun regt sich Widerspruch im Europaparlament. Die Abgeordneten forderten in der vergangenen Woche in einem mit großer Mehrheit verabschiedeten Bericht, auch im neuen EU-Budget an einem eigenen entwicklungspolitischen Instrument festzuhalten. Die bewährte Entwicklungshilfe dürfe nicht geschwächt werden; Oettinger solle im Gegenteil mehr Geld bereitstellen.

„Das Zusammenwerfen bewährter Finanzinstrumente in einen großen außenpolitischen Topf ist weit mehr als eine vermeintliche Budgetvereinfachung“, kritisierte Lochbihler. Vielmehr könnten mit EU-Geldern, die eigentlich für zivile Konfliktprävention vorgesehen sind, auch militärische Zwecke finanziert werden, etwa Ausrüstung und Ausbildung für Armeen in Drittstaaten in Afrika.

Tatsächlich fließt bereit jetzt zunehmend EU-Geld in Militärprojekte. Vor allem der Trust Fund for Africa wird deswegen kritisiert. Zudem hat die EU begonnen, im Rahmen der Außen- und Sicherheitspolitik eigene Rüstungsprojekte zu fördern. Zu den ersten Nutznießern gehört die Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall.

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