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Heilen mit Knospen

Eine spezielle Form der Phytotherapie macht sich das Embryonalgewebe aus den Knospen von Pflanzen zunutze: die Gemmotherapie

Das Beste kommt zu Anfang: Nach dem Winter bringen kahle Zweige mit den Knospen die ersten Anzeichen neuen Lebens hervor – und liefern damit gleichzeitig die Grundlagen für die naturheilkundliche Gemmotherapie. „In der Knospe steckt die meiste Kraft einer Pflanze, ihre gebündelte Lebensenergie. Außerdem sind Knospen reich an Mineralstoffen, Polyphenolen, Vitaminen, Aminosäuren, pflanzenspezifischen Enzymen – und sie enthalten die gesamte genetische Information der Pflanze“, so fasst Angelika Wagner-Bertram die Wirkkraft von Knospen zusammen. Als Heilpraktikerin mit einem Master in Komplementärer Medizin war Wagner-Bertram in Deutschland eine der ersten Therapeutinnen, die Gemmomittel anwendete. Die Gemmotherapie (von lat. gemma – Knospe) gewinnt die Grundstoffe ihrer Arzneimittel aus den Knospen aber auch Triebspitzen, jungen Schösslingen und wachsenden Wurzelspitzen meist sehr verbreiteter, heimischer Pflanzen – also allen Pflanzenteilen, welche Embryonalgewebe enthalten. Gemmotherapeutika werden nach standartisierten Verfahren hergestellt.

Besonders hebt Wagner-Bertram den Gedanken der ganzheitlichen Wirkweise der Knospenmittel hervor: „Gemmotherapeutika haben häufig eine starke psychische Komponente. Sie wirken auf Körper, Geist und Seele, sind also ganzheitlich konzipiert. Jede Pflanze bringt nicht nur Heileigenschaften für körperliche Leiden mit, sondern hat gleichzeitig häufig einen besonderen Bezug zu einer speziellen seelischen Ebene.“

Als Beispiel nennt die Heilpraktikerin die Edeltanne: „Ihr Reichtum an Mineralstoffen wirkt bei Osteoporose oder Knochenbrüchen, da Mineralstoffe Feuchtigkeit im Körper binden, ist die Edeltanne zudem bei Infekten der Atemwege wichtig. Sie wird aber auch bei kindlichen Wachstumsstörungen gegeben. Und hier wird die psychische Ebene deutlich: Die Edeltanne bringt Kinder ins Aufrechte und unterstützt den Aufbau von Selbstvertrauen.“ Eine weitere gängige Pflanze, so die Expertin, sei die Silberlinde, welche die „Linderung“ bereits in ihrem Namen trägt. Sie wirke in der Gemmotherapie beruhigend bei Schlafstörungen, Stress und bei der heute so häufigen kindlichen Überforderung. Bei leicht depressiven Zuständen, könne mit den Extrakten der Silberbirkenknospen gearbeitet werden. Der hell-leuchtende Stamm des Baumes habe einen starken Bezug zum Licht, eine aufhellende seelische Wirkung. Bekannter ist die entgiftende und ausleitende Wirkung des Birkensafts. Die Schwarze Johannisbeere schließlich spiele aufgrund ihrer stark antientzündlichen Wirkung eine wichtige Rolle, lasse sich je nach Krankheit gut mit anderen Präparaten kombinieren und werde daher zum Beispiel bei Atemwegs- und Hautleiden sowie bei rheumatischen Beschwerden eingesetzt.

In Frankreich, Italien, der Schweiz oder Ländern Osteuropas ist die naturkundliche Behandlung mit Knospen bereits wesentlich bekannter als in Deutschland. Dabei ist das Wissen um die Heilkraft der Knospen grundsätzlich nicht neu – schon im alten China hat man sich diese zunutze gemacht und noch heute werden in der (T)CM Knospen verwendet, häufig in Teezubereitungen. Aber auch in der Traditionellen Westlichen Medizin fanden Knospen früh Anwendung. So setzte Hildegard von Bingen Birkenknospen bei Hautleiden ein.

Zur Entwicklung der Gemmotherapie erläutert Wagner-Bertram: „In Europa legte der belgische Arzt Pol Henry in den 1970er Jahren die Basis für die sogenannte Phyto-Embryotherapie, die heutige Gemmotherapie, in einer Zeit, in der die Frischzellentherapie auf tierischer Basis sehr en vogue war.“ Die Heilpraktikerin selbst, wurde seinerzeit durch eine befreundete Apothekerin auf die Knospen-basierten Therapeutika aufmerksam. al