Kommentar Klimastudie und Erneuerbare: Der blinde Fleck

Eine neue Klimastudie macht Hoffnung. Doch eine Energiewende wird nur erreicht, wenn mehr Öko-Energie auch bedeutet: weniger dreckige Energie.

Mit Bergbaugerät wird im Tagebau Hambach gearbeitet

Böse: Mit Bergbaugerät wird im Tagebau Hambach gearbeitet (Oktober 2017) Foto: dpa

Man wird ja wohl noch träumen dürfen. So liest sich die Studie, die die Agentur für erneuerbare Energien (Irena) für die Bundesregierung zur jährlichen Konferenz zum „Energiewendedialog“ erstellt hat. Die globalen Klimaziele sind demnach noch zu erreichen – wir müssen uns nur alle richtig anstrengen: Wind- und Sonnenenergie sechsmal (!) so schnell ausbauen wie bisher, die Häuser dreimal schneller renovieren, weltweit den Ökostrom-Anteil von 25 auf 85 Prozent hieven, ein Drittel mehr Geld investieren.

Nichts gegen Träume. Gerade in der Klimapolitik gilt: Wer keine Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Aber fragwürdig an der Studie ist, dass mit ihr die globale Energiewende auf den gleichen gefährlichen Kurs gerät wie in Deutschland: Die Chancen werden betont, die „Win-win-Optionen“ und der Zubau der Öko-Energien, der ein gutes Geschäft ist.

Schamhaft verschwiegen wird dagegen, dass eine Energiewende nur dann etwas für den Klimaschutz erreicht, wenn mehr Öko-Energie bedeutet: weniger dreckige Energie. Wenn also klar gesagt wird, wann und wie Kohle, Öl und Gas verschwinden müssen. In Deutschland entwertet dieses Paradox die Energiewende: Milliarden für Windräder ausgeben, aber die Emissionen trotzdem nicht senken, weil weiter viel Kohle verbrannt wird.

Im Irena-Gutachten ist dieser Zusammenhang sogar gut versteckt erwähnt. Thematisiert wird er nicht. Denn er würde die Bundesregierung bei ihrer Selbstdarstellung stören, internationaler Vorreiter bei Energiewende und Klimaschutz zu sein. Aber diese Koalition schafft es nicht einmal, ihre Klimaziele für 2020 zu erreichen, weil sie sich nicht traut, den Autofahrern und der Kohlelobby auf den Schlips zu treten – und fordert dann einen weltweiten Aufstand? Das sollte sie Ländern überlassen, die mit Revolutionen Erfahrung haben. Großbritannien hat angekündigt, es wolle prüfen, ob es einen ernsthaften Klimaschutz in Richtung 1,5 Grad Erderwärmung gesetzlich festschreibt. So geht Energiewende.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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