berliner szenen
: Ich hatte doch noch was vor

Eigentlich find ich’s ja gut, wenn Bibliotheken Themenräume haben, wo lauter Bücher zu einem einzigen Thema versammelt sind. Besonders gut find ich das, wenn das Thema „Liebe“ ist und queere Aspekte einschließt: trans, inter, lesbisch, schwul, dies noch und das noch.

Sehr, sehr gut finde ich das – so generell. Nur gerade jetzt find ich das doof. Denn wenn man ein Buch aus dem Themenraum ausleiht, muss das nach zwei Wochen zurück. Das reicht eigentlich, aber ich bin auf vier Wochen Ausleihzeit geeicht – und beginne erst an Tag 10 zu lesen. Und an Tag 14 hab ich immer noch hundert Seiten vor mir.

Mist, denke ich, das schaffe ich nicht. Aber ich steck das Buch doch schon mal ein für meinen Termin gleich in der Nähe der AGB. In der Bahn les ich wie wild und gleich nach dem Termin dann auch, direkt in der Bibliothek. Eigentlich hatte ich ja was anderes vor, aber egal: Das Buch muss zurück. Ich lese und lese, nur als die AGB schließt, bin ich immer noch nicht fertig. Ich überleg, mich auf die Bank draußen zu setzen, es dann in die 24-Stunden-Rückgabe zu legen. Nur ist es etwas frisch geworden, und sowieso: Ich hatte heute doch noch was anderes vor.

Ich könnte morgen wieder hierher. Nur hab ich da keine Zeit für ’ne Fahrt quer durch die Stadt. Aber als ich das denk, denke ich auch: Kann das Buch nicht ohne mich fahren?

Es kann! In die Bücherei bei mir um die Ecke schaffe ich’s morgen schon, und die können das Buch dann hierher transportieren. Kostet zwar was, aber ein Fahrschein kostet auch; sogar mehr.

Ein schlechtes Gewissen hab ich dann aber doch, als ich der ABG den Rücken zukehre mit ’nem überfälligen Buch in der Hand. Zum Ausgleich nehm ich’s mir richtig fest vor: Ich fang jetzt immer an Tag 1 der Ausleihe an, ausgeliehene Bücher zu lesen. Ich schwör! Joey Juschka