Anja Stahmann über ihre Aufgaben: „Man muss viel sitzen“

Zum Zukunftstag haben zwei NachwuchsjournalistInnen für die taz die Sozial- und Jugendsenatorin Anja Stahmann (Grüne) nach ihren Aufgaben und Ideen gefragt.

Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann sitzt mit Schülern an einem Tisch.

Milan Wiese und Luna Groß García nehmen Anja Stahmann in die Mangel Foto: Karolina Meyer-Schilf

taz: Frau Stahmann, was hat Bremen davon, wenn Sie wiedergewählt werden?

Anja Stahmann: Wenn ich wiedergewählt werde, dann hat Bremen eine Senatorin, die sich um den sozialen Bereich sehr kümmert, die sich ganz stark dafür einsetzt, dass Geflüchtete hier gut ankommen, zur Schule gehen und eine Ausbildung machen können, und dass ältere Leute selbstständig leben können. Und ich möchte auch gerne etwas gegen die Einsamkeit im Alter tun.

Was genau sind denn Ihre Aufgaben?

Als Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport bin ich zuständig für eine große Verwaltung. Wir haben mehrere Tausend Beschäftigte, einen großen Verantwortungsbereich von der Geburt bis zum Tod. Ganz wichtig sind auch die Bereiche Integration und Sport, für die ich seit drei Jahren verantwortlich bin – alles wie Schwimmbäder, Sportplätze und Werder Bremen. Ich bin unter anderem auch im Aufsichtsrat vom Weserstadion, das ist auch spannend. Und ja, ich habe ganz schön viel zu tun. Man muss viel sitzen, viel reden und viel zuhören.

Auf welches Ihrer bisherigen Projekte sind Sie besonders stolz?

Anja Stahmann, 50, Sozialwissenschaftlerin und Grüne, von 1999 bis 2011 Bürgerschaftsabgeordnete, seither Sozialsenatorin.

Ich bin stolz drauf, dass wir in den Monaten, in denen wir sehr viele Menschen in Deutschland aufnehmen mussten, hier all das so gut organisiert haben, dass keiner obdachlos war in Bremen. Also wir konnten jedem zumindest eine Matratze und ein Dach über dem Kopf anbieten. Darauf bin ich stolz. Es gibt noch viele kleinere Sachen, aber das ist eine, auf die ich besonders stolz bin.

Sie sind jetzt seit sieben Jahren Senatorin für Soziales, und trotzdem driften die Stadtteile sozial immer weiter auseinander. Was haben Sie bisher dagegen getan?

Ich als Sozialsenatorin alleine kann nicht die Armut verändern. Wir sind das Ressort, das die Teilhabe der armen Menschen an allen möglichen Angeboten möglich macht. Aber wenn jemand wirklich aus der Armut herauskommen muss, sind die Bereiche Bildung, Arbeit und Wirtschaft auch unheimlich wichtig. Also dass man einen guten Schulabschluss macht, und dass man eine Arbeit findet. Und auch, dass Kinder lernen können.

Früher gab es ja viele Jungendfreizeitheime, doch viele davon wurden mittlerweile geschlossen. Woran liegt das? Wo sollen die Jugendlichen jetzt hin?

Es gibt immer noch viele Jugendeinrichtungen, nicht mehr städtische Jugendfreizeitheime, sondern auch Jugendeinrichtungen, die von Jugendlichen selber verwaltet werden, oder eben von freien Träger. Und ich würde mich freuen, wenn ich noch mehr Geld bekommen würde für diese Jugendangebote. Aber ich glaube auch, dass es normal ist, dass die Angebote sich verändern. Weil die Jugendlichen vor 30 Jahren auch andere Interessen hatten als die von heute. Was aus meiner Sicht wichtig ist: Dass man Orte hat, an denen Jugendliche sich treffen können, und dass man auch noch mal neue Angebote starten kann.

Nutzt es Ihnen überhaupt für das Ziel der Wiederwahl, soziale Einrichtungen verstärkt in ärmeren Vierteln zu fördern? Da wohnen ja nicht die typischen Grünenwähler.

Als ich in die Politik gegangen bin, war es mir wichtig, denen eine Stimme zu geben, die so nicht gesehen oder gehört werden. Meine Mutter war, da mein Vater früh gestorben ist, alleinerziehend mit drei Kindern. Das hat mich geprägt. Deswegen finde ich es auch wichtig, dass ich mich für Leute einsetze, die wenig Geld und nicht so eine Lobby haben. Nicht alle Kinder haben ja Eltern, die alles bezahlen können, und darum muss sich ja auch jemand kümmern.

Spitzenkandidatin bei der Bürgerschaftswahl ist ja Karoline Linnert. Wären Sie nicht gerne die Spitzenkandidatin?

Nein, ich wollte diesen Posten nicht übernehmen. Ich habe darüber nachgedacht, ob ich das werden will. Ich mache gerne Politik und bin, wie man manchmal sagt, eine Rampensau. Ich habe keine Angst, vor vielen Menschen zu sprechen. Mir macht es auch Spaß, mich für Dinge einzusetzen. Aber Spitzenkandidatin wäre ich nicht gerne geworden. Das, was ich mache, gefällt mir sehr gut, aber das ist auch nur ein Job auf Zeit.

Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen liegt das Mindestalter, um wählen zu dürfen, bei 16 Jahren. Wären Sie dafür, das auch bei Bundestagswahlen einzuführen?

Ja, das fände ich gut. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass das Mindestalter auf 16 Jahre abgesenkt wird, weil man schon sehr früh als Kind oder Jugendlicher eigene Entscheidungen trifft. Wir haben hier in Bremen viele Experten zu der Frage angehört, ob Jugendliche so etwas schon entscheiden können. Damals haben wir viele Argumente dafür gehört, dass Jugendliche im Alter von 16 Jahren schon sehr gut solche Entscheidungen fällen können. Viele sind ja der Meinung, dass sich Jugendliche zu sehr beeinflussen lassen. Tatsächlich ist es aber so, dass ältere Menschen viel radikaler wählen als Jugendliche. Und ich finde, es ist wichtig, dass man auch junge Leute zur Zukunft fragt.

Eine Frage zur aktuellen Debatte um den Echo, die ja auch die Jugend betrifft: Wie stehen Sie dazu, dass die beiden Rapper Kollegah und Farid Bang einen Echo bekommen haben?

Den Text, den die beiden dort gesungen haben, finde ich nicht in Ordnung. Und ich finde es auch erstaunlich, dass die dafür einen Preis bekommen haben. Dass man den Preis jetzt abgeschafft hat, finde ich aber nicht die richtige Lösung. Ehrlicher wäre gewesen, dass man sich öffentlich dafür entschuldigt hätte, und die beiden Rapper sich noch mal Gedanken darüber gemacht hätten, ob der Text in Ordnung war. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt.

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