Spieglein, Spieglein, wer ist der Korrupteste?

In Malyasia geht die Regierung mit einem „Anti-Fake-News“-Gesetz gegen ihre Gegner vor

Bei der Wahl am 9. Mai kämpft Malaysias Premierminister Najib Razak um sein politisches Überleben. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit vor über 60 Jahren könnte der Opposition der Machtwechsel gelingen. Mit dem durch das Parlament gepeitschten „Anti-Fake-News-Gesetz“ will die Regierung nun Medien, soziale Netzwerke und die Opposition daran hindern, die massiven Korruptionsskandale zu thematisieren.

Dabei spielen auch Karikaturen eine Rolle: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“, fragt etwa Rosmah Mansor, luxus- und machtverliebte Gattin des Premierministers den Spiegel. Die Antwort bringt sie zur Weißglut – und den Spiegel wegen „Fake News“ ins Gefängnis. Aus dem schaut ihr nämlich die hübsche, 37 Jahre alte Nurul Izzah, Parlamentsabgeordnete und Tochter des wegen angeblicher Homosexualität inhaftierten Oppositionsführers Anwar Ibrahim entgegen.

So kommentiert Malaysias berühmtester politischer Karikaturist Zunar das „Gesetz gegen Fake News“. Die Behörden können jetzt auch ohne gerichtliche Anhörung von Usern der sozialen Netzwerken und den Medien die sofortige Entfernung angeblicher Fake News verlangen. Das gilt ausdrücklich auch für internationale Korrespondenten in Malaysia sowie für Journalisten und Medien im Ausland. Verstöße werden mit sechs Jahren Gefängnis und 105.000 Euro Geldstrafe bestraft. „Das Ziel des Gesetzes ist klar: Es soll Angst unter den Malaysiern säen und sie unterwerfen“, sagt Steven Gan, Chefredakteur des unabhängigen Onlineportals Malaysiakini.

In erster Linie geht es um den Korruptionsskandal rund um den Staatsfonds 1MDB. Alle „unverifizierten Fakten“ im Zusammenhang mit 1MDB würden von der Regierung als „Fake News“ betrachtet, verkündete das Informationsministerium. 1MDB war als Fonds für ausländische Direktinvestitionen gedacht. 600 Millionen Dollar aus dem Fonds wurden allerdings auf ein Privatkonto von Premierminister Najib abgezweigt. Sehr spät wurde von Regierungsseite die Erklärung nachgereicht, es handle sich gar nicht um Gelder aus dem Fonds, sondern um eine Spende aus Saudi-Arabien. Das Geld, so ließ Najib in dieser Woche mitteilen, sei inzwischen „ganz oder zumindest fast ganz“ zurückgezahlt worden. Gegen 1MDB laufen in den USA, Singapur und einigen andere Ländern Untersuchungen wegen Geldwäsche.

Die Präsidentengattin und der 1MDB-Skandal sind die Lieblingsthemen von Karikaturist Zunar. „Kein anderer Regierungskritiker sieht sich mit so vielen Klagen konfrontiert“, sagt der 55-Jährige nicht ohne Stolz in seinem kleinen Studio in Kuala Lumpur. Malaysiakini ist Malaysias wichtigstes unabhängiges Politmagazin. „Drohungen aller Art bis hin zum Mord sind für uns Alltag“, sagt Chefredakteur Gan. Ihm ist aber klar, dass investigativer Journalismus in Malaysia eine gefährdete Spezies ist. „Wir leben von Tag zu Tag. Die Regierung kann uns jederzeit dichtmachen.“

Zunars Karikaturenbücher sucht man in Malaysias Buchläden vergeblich. Im Ausland wurde er in den letzten Jahren mit Medien- und Menschenrechtspreisen geehrt. Das ärgerte die Machthaber in Kuala Lumpur. Jetzt darf Zunar Malaysia nicht mehr verlassen. Das gilt nicht für die Karikaturen. Die veröffentlicht Zunar im Internet. Und bei Malaysiakini. „Ich kann nicht anders als Korruption durch meine Cartoons anzuprangern.“

Trotz Anti-Fake-News-Gesetz.

Michael Lenz , Kuala Lumpur