berliner szenen
: Penis und Brüste verschicken

Ich bin zurück in Berlin nach ’ner Reise in ein Land, in dem ich die Sprache nicht richtig verstand. Aber jetzt versteh ich wieder, was die Leute so quatschen, hör, was so abgeht in der Stadt. Penisse gehen anscheinend ab – schon auf dem Flughafen gab’s ’nen Flyer vom Kitkat-Club im Ständer mit den Hotelbroschüren, einträchtig eingereiht, und auch das erste Gespräch in der Bahn dreht sich um Fotos davon.

„Und die schicken dir das dann“, sagt die Frau im Sitz neben mir. „Auf so eine Idee würde ich nie kommen! ­Penisbilder!“ Sie schnauft.

Ihre Freundin schnauft nicht. „Ach. Ich hab so was auch schon mal gemacht.“

Ich schaue sie an, mustere ihr Spiegelbild in der Scheibe der Bahn. Sie hat einen ­Penis? Aber sie hat keinen Penis, oder jedenfalls meint sie den nicht, Bilder davon; sie meint Bilder von ihren Brüsten. „Brüste sind okay, finde ich.“ Sie nickt.

Die erste verzieht das ­Gesicht, nickt dann aber zustimmend zurück. „Brüste kann ich mir auch vorstellen. Wirklich, echt!“

Ich denk, das kann sie nicht, so wie sie guckt und beteuert. Aber so ist das nun mal im Leben: Da sagt man öfters mal was rein aus ­Gruppenzwang raus.

„Und? Hast du schon mal welche verschickt?“, fragt die, die schon mal hat, und ich denke: Gruppenzwang! Hah! „Ja“, wird die andere sagen und gleich auch noch ’ne Geschichte dazu erfinden, wie die/der Empfänger_in reagiert hat darauf.

Aber sie sagt nicht „Ja“; gar nichts sagt sie, denn die Bahn hält an, die zwei stehen auf, steigen aus. Ich fast auch; wär nicht das erste Mal, dass ich jemand folge, um Gesprächsreste zu hören.

Aber ich bin zu müde vom Reisen, der Koffer ist schwer, ich will nach Hause, auspacken, duschen, dann schlafen. Und zwischendurch vielleicht ein Penis-/Brüstebild machen, nur so rein aus Gruppenzwang raus.

Joey Juschka