Nur Worte, keine Gewalt

Nach dem massiven Polizeieinsatz in ihrer Unterkunft protestieren die betroffenen Flüchtlinge in Ellwangen

Aus Ellwangen Christian Jakob

Etwa 200 Flüchtlinge und Unterstützer haben am Mittwoch in Ellwangen gegen Diffamierung durch Polizei und Presse protestiert. Nach einer Mahnwache in der Innenstadt zogen sie von der Landesaufnahmeeinrichtung (LEA) zum Polizeirevier. Am 30. April hatten Bewohner der LEA Polizeibeamte vertrieben, die einen Togoer abschieben wollten. Die Polizei sprach danach von 150 „Schwarzafrikanern“, die sich „zusammengerottet“ hätten und gewalttätig geworden seien. Sie stürmte die Unterkunft drei Tage später mit Hunderten Beamten.

„Die Medien haben ein Bild von uns als Gewalttäter und Kriminelle gezeichnet“, sagt der Lagerbewohner Mfouapon Alassa aus Kamerun. Mit dem Aktionstag wollten die Flüchtlinge den Bewohnern von Ellwangen zeigen, dass dies nicht wahr sei.

Ab dem Mittag postierten sich Dutzende Mannschaftswagen der Polizei in der Altstadt von Ellwangen. Die Flüchtlinge hatten dort einen Infostand aufgebaut und schilderten Passanten und Reportern ihre Sicht der Dinge.

In jener Nacht seien lediglich etwa 40 Bewohner des Lagers durch Schreie des Togoers geweckt worden und im Pyjama oder Trainingsanzug aus ihren Zimmern getreten. „Wir haben der Polizei gesagt, sie sollen den Togoer gehen lassen“, sagte Alassa. Es seien „nur Worte“ benutzt worden, sagt er, keine Gewalt. Die Beamten hätten sich etwa fünf Minuten nachdem er aus dem Haus getreten war zurückgezogen.

Drei Nächte später seien die Bewohner von einem Lärm „wie eine Bombe, die explodiert ist“, geweckt worden, so Alassa. Die Polizei habe in allen Zimmer gleichzeitig die Türen eingeschlagen. Alle seien angeschrien worden, sich mit erhobenen Händen an die Wand zu stellen. „Sie haben uns durchsucht, uns Handschellen angelegt und uns auf den Boden gelegt.“ Er habe gefragt, was der Grund für die Aktion sei, sagt Alassa. „Die Polizisten sagten, sie hätten uns nichts zu erklären.“ Viele der Bewohner hätten gedacht, sie würden nun abgeschoben. Zwei Stunden lang, bis sieben Uhr morgens, hätten die Lagerbewohner mit Kabelbindern gefesselt auf dem Boden liegen müssen, bewacht von Hunden, ohne auf die Toilette gehen zu dürfen.

Delegation im Rathaus

Als bekannt wurde, dass die Flüchtlinge eine Demo an diesem Mittwoch planen, sei der Leiter der Einrichtung zu den Flüchtlingen gekommen. „Er hat gesagt: Es gibt nichts wogegen ihr demonstrieren könnt, weil ihr die Polizei angegriffen habt. Die Leute sind deshalb wütend auf euch, denn in Deutschland wird die Polizei respektiert“, sagt Alassa.

Vor der Kundgebung am Mittwoch hatte eine Delegation der Flüchtlinge im Rathaus mit Ellwangens Bürgermeister Volker Grab (Grüne) und dem Einsatzleiter der Polizei Aalen, Peter Hönle zusammengesessen. Das Gespräch sei „eine vertrauensbildende Maßnahme“ gewesen, es sei „Empathie auf allen Seiten“ gezeigt worden, sagte Hönle danach. Ob er in der Zukunft wieder Hunderte Beamte zu einer Razzia schicken werde, um eine einzige Person abzuschieben? „Das weiß ich nicht. Wenn den vertrauensbildenden Maßnahmen, die wir hier durchgeführt haben, nun Taten folgen, dann wird das voraussichtlich nicht noch einmal passieren.“ Der Bürgermeister Grab sagt, bei dem Gespräch sei „ganz deutlich“ geworden, dass die Menschen Angst hätten, nach Italien zurückgeschickt zu werden. „Da leben sie auf der Straße.“

„Wir haben uns über vieles verständigt“, sagt Alassa über das Gespräch. Polizei und Bürgermeister „haben uns Sympathie gezeigt, aber die kommt etwas spät. Wir hätten ihnen gern schon vor langer Zeit von unseren Problemen mit Dublin erzählt. Aber darüber konnten wir nie mit jemandem sprechen.“