Wenig Hilfe für Helfende

Die „Aquarius“ musste eine Rettung abbrechen

Von Gareth Joswig

Gern hat der Bremer Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) als Schirmherr geholfen, Spenden für die Seenothelfer*innen von SOS Mediterranée einzutreiben. Gute Presse war inklusive, als er zusammen mit dem Bremerhavener Bürgermeister Melf Grantz (SPD) das Rettungsschiff „Aquarius“ Richtung Mittelmeer verabschiedete. Noch bessere Presse gab es Anfang 2017, als der Senat einen Empfang mit Benefiz-Essen für die Schiffs­crew veranstaltete und verkündete, dass die „Aquarius“ seit Beginn ihrer Rettungsmission bereits 7.844 Menschen vor dem Ertrinken gerettet hatte.

Während eines Gutwetterfensters am vergangenen Samstag rettete die Schiffscrew 73 Menschen aus einem sinkenden Schlauchboot in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste. Die Geretteten wurden sofort an Bord auf der Krankenstation versorgt. Im Regelfall patrouilliere die „Aquarius“ nach einer Rettung weiter, solange das Wetter gut sei, weil dann besonders viele flöhen und das Bremer Schiff als eines der größten Rettungsschiffe Platz für über 500 Menschen biete, sagt Jana Ciernioch von der NGO. Zum Entsetzen forderte die italienische Seenotleitstelle die Retter*innen dieses Mal jedoch auf, sofort Kurs auf Messina, Sizilien, zu nehmen. Nur dort sei Zeit und Platz, um die Geretteten zu versorgen, zudem seien weitere Schiffe in der Nähe, um mögliche weitere Schiffbrüchige aufzunehmen, wie die Leitstelle der taz schrieb.

Tatsächlich ist „aufnehmen“ in diesem Zusammenhang zynisch – denn nach Erkenntnissen von SOS Mediterranée gab es weitere Überfahrten in dem Gutwetterfenster, die alle auf Booten bewaffneter Einheiten der libyschen Küstenwache endeten, die im europäischen Auftrag eine verschärfte Gangart notfalls mit Waffengewalt durchzusetzen versucht. Retter*innen, die sich dem neuen Kurs widersetzen, werden kriminalisiert – zuletzt wurde im März ein Schiff nach einem dramatischen Konflikt mit der libyschen Küstenwache bereits beschlagnahmt. Es war nicht das erste.

Zu alledem könnte man als ehemaliger Schirmherr der Rettungsmission durchaus eine Meinung haben, auch wenn es natürlich eine diplomatisch-politisch komplexe Gemengelage ist. Natürlich finde Sieling die Arbeit der Seenothelfer weiter wichtig und unterstützenswert, so der Senatssprecher Andre Städtler. Er sei weiter an der Seite der Initiative. Aber die Entscheidungen der Seenotleitstelle in Italien und die zunehmenden Komplikationen für der Helfer*innen auf Rettungsmissionen könne Sieling zunächst nicht kommentieren.