Schwimmendes AKW erreicht Murmansk

Die russische Atomlobby feiertihr Reaktorschiff. Umweltverbände kritisieren das Projekt

„Wir erwarten einesehr hohe Nachfrage“

Alexei Lichatschew, Rosatom-Generaldirektor

Von Bernhard Clasen

Das schwimmende Atomkraftwerk – die im russischen St. Petersburg gebaute „Akademik Lomonossow“ – ist nach einer zweiwöchigen Reise durch die Ostsee, das Nordpolarmeer und die Barentssee im Hafen der Nordmeerstadt Murmansk eingetroffen. Das berichtet der russische Atomkonzern Rosatom. In einer öffentlichen Zeremonie feierten am Samstag Vertreter von Politik und Atomwirtschaft das „erfolgreiche Ankern des einzigen schwimmenden Atomkraftwerks auf der Welt“, so Rosatom.

Projektleiter Witali Trutnew erstattete dem Rosatom-Chef Alexei Lichatschew öffentlich Bericht. Unterwegs habe es keine Vorkommnisse gegeben, nun könne der schwimmende Energieblock mit radioaktivem Brennmaterial beladen werden.

„Wir haben den atomaren Energieblock ohne radioaktiven Brennstoff erfolgreich nach Murmansk gebracht, nun werden wir dieses einzigartige Projekt eines mobilen Atomblocks umsetzen“, sagte Rosatom-Generaldirektor Alexei Lichatschew. Es sei das erste Referenzprojekt einer mobilen atomaren Energiequelle. „Für die nächsten Jahre erwarten wir eine sehr hohe Nachfrage“, sagte Lichatschew. Insbesondere Inselstaaten hätten bereits Interesse an dem Projekt gezeigt.

Im Juli werde man beginnen, die Reaktoren mit Brennstäben zu beladen, kündigte AndrejiPetrow, Generaldirektor des Konzerns Rosenergoatom, an. 2019 gehe die Reise weiter Richtung Pewek im Nordosten Russlands.

Für Rosatom ist die „Akademik Lomonossow“ eine Erfolgsgeschichte. Das schwimmende AKW hält nach Unternehmensangaben allen möglichen Sicherheitsbedrohungen stand – die Reaktoren seien für Tsunamis und andere Naturkatastrophen gerüstet, erfüllten alle von der internationalen Atomenergiebehörde IAEO gestellten Anforderungen und stellten keine Gefahr für die Umwelt dar. Bereits jetzt – so Rosatom auf seiner Webseite – arbeite man an einer neuen Generation von schwimmenden Atomkraftwerken. Und diese dürften dann vor allem für Inselstaaten von Interesse sein, die diese auch zur Entsalzung von Meerwasser einsetzen könnten.

Keine Spur von Euphorie herrschte hingegen bei den Umweltgruppen, die das Projekt kritisieren. „Das russische Gesetz schreibt bei einem Neustart von Atomkraftwerken öffentliche Anhörungen vor. Doch beim Beladen und Anfahren der Reaktoren des schwimmenden AKWs gibt es keine Anhörungen“, beklagt sich Raschid Alimow, Energy-Campaigner von Greenpeace Russland, gegenüber der taz. „Die Bewohner von Murmansk müssen angehört werden und die Möglichkeit haben, ihre Meinung über das Projekt kundzutun“, so Alimow.

In einem gemeinsamen Schreiben anlässlich des Eintreffens der „Akademik Lomonossow“ im Hafen von Murmansk hatten drei Umweltorganisationen das Russische Ministerium für Ressourcen und Umwelt, die Atomaufsichtsbehörde und den „Arktischen Rat“ aufgefordert sicherzustellen, dass grundlegende Standards von atomarer Sicherheit und ökologischer Nachhaltigkeit eingehalten werden.

Eine weitere Forderung: Die „Akademik Lomonossow“ sollte nicht nur der russischen Atomaufsicht unterliegen. Auch die Atomaufsichtsbehörden weiterer arktischer Staaten müssten in diesen Prozess einbezogen werden, noch bevor die Reaktoren mit Brennstäben beladen werden. In diese Aufsicht müsste auch der Umgang mit dem Atommüll und der ständige Betrieb einbezogen werden, so Greenpeace, die Sozial-Ökologische Union und Ecodefense in ihrem offenen Brief.

Die Umweltschutzorganisationen fordern auch eine gemeinsame Umweltfolgenabschätzung durch die arktischen Anrainerstaaten. Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, dass die „Akademik Lomonossow“ in Prewek nur 12 Jahre im Einsatz sein könne. Dann müsse sie erst mal wieder zurück nach Murmansk, wo sie mit neuen Brennstäben beladen und der Atommüll entsorgt werden müsse.