Last
Exit
Tondern

Einen Menschen nichtdeutscher Herkunft zu heiraten, kann in Deutschland sehr kompliziert sein. Eine beliebte Ausweichmöglichkeit ist immer noch Dänemark: Dort gibt es Orte, die sich aufs Heiraten spezialisiert haben 44,45

Trauungen finden in Tondern auf Dänisch, Deutsch oder Englisch statt. Wer eine andere Sprache spricht, muss einen Dolmetscher mitbringen Fotos: Karolina Meyer-Schilf

Von Karolina Meyer-Schilf

An anderen Tagen muss hier die Hölle los sein. Rund 2.000 Trauungen gibt es jedes Jahr in Tondern, einem 7.ooo-Einwohner-Städtchen in der dänischen Pampa, nur einen Katzensprung von der deutschen Grenze entfernt und nicht weit von der Nordsee-Insel Rømø.

Dänen kommen hierher, um den Bund fürs Leben zu schließen – zum größten Teil jedoch sind es Deutsche, die einen nichtdeutschen Partner heiraten wollen. Denn das gestaltet sich hierzulande schwierig. Eine Vielzahl an Dokumenten aus dem jeweiligen Heimatland muss beschafft, übersetzt und beglaubigt werden, was sich in Ländern mit eher geruhsamer Verwaltungspraxis oder in Krisenstaaten oft als langwierig, wenn nicht aussichtslos erweist. In Dänemark aber müssen weniger Dokumente vorgelegt werden, die Bearbeitungszeit ist deutlich kürzer – und in Dänemark geschlossene Ehen werden in Deutschland anerkannt. So ist das kleine, grenznahe Tondern schon seit Jahrzehnten beliebtes Ziel für heiratswillige, binationale Paare.

Wer hier jedoch eine Art Las Vegas des Nordens erwartet hat, liegt falsch. Die Stadt sieht aus wie jede andere dänische Stadt: Hübsche kleine Backsteinhäuser drängen sich in der Altstadt dicht aneinander, ein bisschen Fachwerk, einige Stockrosen, es gibt eine Fußgängerzone mit Geschäften auch bekannterer Ketten, die obligatorische Pølserbude auf dem kleinen Marktplatz und ein paar Cafés.

Auf große Hochzeitsgesellschaften scheint hier eigentlich niemand so richtig eingestellt zu sein. Die Guldbageri, also der Bäcker, den es schon seit über 100 Jahren hier gibt, bietet den typisch dänischen Erdbeerkuchen und die üblichen plombenziehenden Marzipan- und Nougatschnitten an.

Wie ein Las Vegas des Norden sieht der kleine Ort Tondern nicht aus – auch wenn im Schaufenster schon mal eine Hochzeitstafel mit Royal- Copenhagen- Porzellan dekoriert ist

Eine richtige Hochzeitstorte wird höchstens einmal im Monat, eher seltener verlangt. In diesem Fall stellt der Bäckermeister von Hand Marzipanrosen her. Die meist flache Torte überzieht er mit Marzipan und verziert sie mit einem Herzen aus Schokolade und den beiden Namen der Brautleute. Am Samstag ist es wieder so weit: Die Rosen hat der Bäcker schon fertig, die Verkäuferin läuft extra in den Keller, um sie zu holen. Rosa sollten sie sein, so hat es sich das Brautpaar gewünscht. Die Verkäuferin kommt mit einem silbernen Tablett wieder, auf dem sie die zwölf fein gearbeiteten Rosen drapiert hat.

Die Hochzeitstorte ist das Highlight dieses Monats. Rund 300 Kronen kostet so eine Torte für 12 Personen, das sind ungefähr 42 Euro: Geld, das sich die meisten, die hier heiraten, sparen.

Das Hotel Tønderhus hat eine Premiumlage, direkt gegenüber dem Standesamt. Die freundliche Frau an der Rezeption aber antwortet auf die Frage, ob hier hauptsächlich Brautpaare einchecken würden, nur: „Eigentlich nicht.“ Die Gäste seien ganz gemischt, auffällig viele Brautpaare seien jedenfalls nicht darunter. „Viele kommen nur zu viert, trinken nach der Trauung einen Kaffee oder auch mal einen Sekt, und dann fahren sie wieder nach Hause.“

Zum Fotoshooting vor die Kirche

Ähnliches kann auch der deutsche Pastor an der Tønder Kristkirke, Achim Strehlke, berichten: Kirchliche Trauungen ausländischer Paare finden hier nur ein- oder zweimal im Jahr statt. „Aber viele stellen sich nach der standesamtlichen Trauung vor die Kirche und machen hier ein Foto“, sagt der Pastor und lacht. „Das sehe ich öfter mal.“

Das Standesamt selbst ist an diesem Tag verlassen. Alles ist still, die Mitarbeiter haben eine Sitzung, Trauungen finden nicht statt. Was hier sonst so los ist, lässt sich nur an den beiden großen Wartezimmern neben dem Trauzimmer ablesen: Neben einer Spielecke für Kinder stehen hier in zwei Räumen dicht an dicht die Stühle wie im Wartezimmer eines Zahnarztes. Beschildert ist alles dreisprachig, in Dänisch, Deutsch und Englisch. „Willkommen in Tondern – Land der Liebe“ steht auf einem großen Transparent neben dem Trauzimmer.

Auf der Website der Kommune ist genau beschrieben, wie der Ablauf ist: Zuerst müssen Brautpaare die Dokumente einreichen, das geht auch per Mail. Außerdem sollen die Heiratswilligen „ein paar“ mögliche Termine nennen, so steht es auf der Website. Die Unterlagen werden geprüft, und wenn alles in Ordnung ist, können die Paare schon zwei Wochen später ihre Trauung anmelden. Dazu kommen sie persönlich ins Standesamt, bringen die Originale ihrer Unterlagen mit, und schon zwei Tage später kann die Trauung stattfinden. Das ist jedenfalls der Stand bisher.

Erst vor Kurzem hat das dänische Parlament ein neues Gesetz gegen Scheinehen beschlossen – künftig sollen alle Heiratsformalitäten ausländischer Paare über eine neu geschaffene Zentralstelle in Kopenhagen laufen. Das werde eine längere Bearbeitungszeit bedeuten, befürchtet der Tonderner Bürgermeister Henrik Frandsen.

Und: Auch die Verwaltungsgebühren für die Prüfung gehen künftig nach Kopenhagen. Den Kommunen bricht dann eine wichtige Einnahmequelle weg. Die mögliche Folge: Dänemark oder zumindest die kleineren Gemeinden könnten ihre Bedeutung als Heiratsort verlieren.

„Bisher haben die Dänen sich nicht darum gekümmert, was die Trauungen aufenthaltsrechtlich in Deutschland bewirken“, sagt der deutsche Pastor Achim Strehlke. In Dänemark begründet eine Heirat – anders als in Deutschland – nämlich noch lange kein Aufenthaltsrecht. „Was Ansprüche von Ausländern betrifft, sind die Dänen schon lange, ich sage mal: garstig“, sagt der Pastor. „Und jetzt haben sie die Idee bekommen, Deutschland auch noch zu retten.“