Flensburg deutscher Handball-Meister: Ringen um den Sehnsuchtstitel

Durch ein 22:21 gegen Frisch Auf! Göppingen wird die SG Flensburg-Handewitt zum zweiten Mal Deutscher Meister. Noch vor Kurzem schien der Titel außer Reichweite.

Flensburgs neuer Chefcoach Maik Machulla breitet die Arme aus.

Auf Anhieb Meister: Flensburgs neuer Chefcoach Maik Machulla Foto: dpa

FLENSBURG taz | Die Flens-Arena in Flensburgs Süden hat schon viele Spiele erlebt, die ihrem Rufnamen „Hölle Nord“ zur Ehre gereichten. Was sich aber am Sonntag Nachmittag auf Spielfeld und Zuschauerrängen gegen den Bundesliga-Zehnten aus Göppingen abspielte, setzte dem die Krone auf. Die zweite deutsche Meisterschaft nach 2004 wurde vor allem deswegen zu einem Ausnahmeerlebnis, weil die Chance darauf den Flensburgern völlig unerwartet zugefallen war.

Scheinbar uneinholbar hatten die Rhein-Neckar Löwen mit vier Punkten Vorsprung geführt. Und die Flensburger hatten sich schon darauf eingestellt, am letzten Spieltag die achte Vizemeisterschaft seit 2004 zu holen und damit die Qualifikation zur Champions League abzusichern.

Aber dann verlor der Titelverteidiger in drei Spielen fünf Punkte und elektrisierte die handballbegeisterte Region um Flensburg. „Die Meisterschaft ist unser größter Sehnsuchtstitel“, sagte SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke vor dem Spiel, das schon lange vor der plötzlichen Titelchance ausverkauft war.

Die größte Gefahr, die Party doch noch zu verhageln, bestand darin, dass ein Sieg über Göppingen in der Öffentlichkeit als Selbstläufer galt. „Das Ganze ist jetzt weniger Handball, sondern viel mehr Kopfsache“, hatte Flensburgs Spielmacher Thomas Mogensen vorher gesagt, der den Verein nach elf Jahren in Richtung seiner dänischen Heimat verlässt. „Bei den vielen Emotionen ist es schwierig, die richtige Balance zu finden.“

Und das war dann in der Tat so – viele überhastete Abschlüsse, Fehlwürfe vom Kreis und wenig Griffigkeit in der Abwehr führten zu einem zerfahrenen Spiel mit vielen Unterbrechungen, in dem die Führung in der ersten Halbzeit ständig wechselte. Dass die in Bestbesetzung angetretenen Flensburger überhaupt noch mit einem 12:12 in die Pause gehen konnten, verdankten sie Lokalmatador Jacob Heinl, der sein letztes Spiel machte und Mitte der Halbzeit innerhalb von fünf Minuten drei Treffer erzielte.

Mit Händen greifbare Nervosität

Die mit Händen greifbare Nervosität konnte er damit nicht aus der Halle pusten – genauso wenig wie die frenetisch anfeuernden Flensburger Fans die ersatzgeschwächten Göppinger dazu bringen konnten, ein dankbarer Partygast zu sein. Besonders Torwart Primoz Prost erwies sich als hartnäckiger Spielverderber.

Dass die Handgelenke immer zittriger wurden, zeigte gleich der erste Angriff nach Wiederanpfiff, als Kentin Mahé einen Siebenmeter neben das Tor warf. Insgesamt verwarfen die Flensburger vier von fünf Strafwürfen. Das zähe Ringen um jedes Tor ging auch weiter, als die Flensburger in der 43. Minute das erste Mal mit zwei Toren in Führung gingen.

Zum Glück stand die Abwehr mit dem für Mattias Andersson ins Tor gekommenen Kevin Möller nun besser. Mit der Einwechslung von Mogensen bekam das Spiel etwas mehr Sicherheit und schließlich waren es vor allem Einzelaktionen von Rasmus Lauge, die den Gegner auf den hauchdünnen Abstand hielten.

Ein Krimi

Dreißig Sekunden vor Schluss war der Krimi zu Ende, als die Göppinger die letzte Chance verwarfen, um heranzukommen. Dreißig Sekunden, in denen der Jubel in der Halle anschwoll und sich mit Schlusspfiff ohrenbetäubend entlud.

Thomas Mogensen sackte weinend zusammen, kletterte dann aber gleich anschließend in die Fankurve und feuerte von da die ganze Halle zu einem Veitstanz an. Im Gedränge standen zwei, die auch beim entscheidenden Meisterschaftsspiel 2004 auf dem Platz standen – im Team des damaligen Gegners HSG Nordhorn: Rückraumspieler Holger Glandorf und Trainer Maik Machulla, dem die wenigsten als Nachfolger von Ljubomir Vranjes diesen Erfolg zugetraut hätten. „Ich kämpfe zwischen Leere und Erleichterung“, sagte Machulla. „Die letzten zehn Tage waren die Hölle.“

Als kleiner Wermutstropfen mischte sich der Abschied von einem halben Dutzend Spieler in den Jubel, neben Mogensen und Heinl gehen auch Torhüter Andersson und Möller, Kreisspieler Hendrik Toft Hansen und Spielmacher Mahé. Ein Umbruch, der bedeuten könnte, dass die Chance auf so eine Party nicht so schnell wiederkommt. Die ging anschließend auf der Bühne vor der Halle weiter – der Flensburger Altstadt stand eine lange Nacht bevor.

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