Steinmeier bittet Schwule und Lesben um Vergebung

Auf einem Festakt in Berlin erinnert der Bundespräsident an das staatliche Unrecht, das Homosexuellen in Deutschland auch noch nach ihrer Verfolgung im Nationalsozialismus angetan wurde

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Homosexuelle für erlittenes staatliches Unrecht um Vergebung gebeten. Bei einem Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen erinnerte das Staatsoberhaupt am Sonntag daran, dass Schwule und Lesben nach dem Ende der NS-Zeit auch in der BRD und der DDR weiterverfolgt wurden. Der 8. Mai 1945 sei für sie „nicht der Tag der völligen Befreiung“ gewesen, sagte Steinmeier.

„Die Würde von Homosexuellen, sie blieb antastbar“, konstatierte er. Auch in der Bundesrepublik seien Zehntausende Männer nach dem Paragrafen 175 verhaftet, verurteilt und eingesperrt worden. Sie hätten sich weiter verstecken müssen, wurden weiterhin bloßgestellt und hätten ihre wirtschaftliche Existenz riskiert. An die Betroffenen gerichtet unterstrich Steinmeier: „Ihr Land hat Sie zu lange warten lassen. Deshalb bitte ich heute um Vergebung – für all das geschehene Leid und Unrecht, und für das lange Schweigen, das darauf folgte.“

Günter Dworek vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) sagte unter Applaus, die Worte Steinmeiers bedeuteten den Betroffenen „sehr, sehr viel“. Der Rechtlosigkeit sei eine lange Phase widerwilliger Duldung gefolgt. „Aber wir haben uns durchgebissen, Schritt für Schritt mehr Akzeptanz und Rechte erkämpft“, betonte Dworek. Das habe „unsere ganze Gesellschaft freier und unser Land lebenswerter gemacht“. Trotz der vor einem Jahr beschlossenen „Ehe für alle“ und der rechtlichen Gleichstellung könne ein Kuss in der Öffentlichkeit aber auch heute noch Gefahr bedeuten. Woche für Woche gebe es homophobe und transfeindliche Übergriffe. „Das darf eine demokratische Gesellschaft nicht kalt lassen“, mahnte Dworek.

Das Denkmal für die verfolgten Schwulen und Lesben befindet sich im Berliner Tiergarten, in unmittelbarer Nähe des Holocaust-Mahnmals. Schätzungen zufolge wurden in der NS-Zeit rund 54.000 Homosexuelle verurteilt. Etwa 7.000 kamen in Konzentrationslagern um. Der von den Nazis verschärfte Paragraf 175 wurde in der BRD erst 1969 reformiert und damit sexuelle Handlungen unter gleichgeschlechtlichen Erwachsenen straffrei. Endgültig aufgehoben wurde er 1994. (epd)

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