Ungenutzte CO2-Zertifikate

KOPENHAGEN Die EU-Länder sind sich in zwei Punkten für die Klimaverhandlungen uneinig

BRÜSSEL taz | Den schwierigsten Brocken sollen die Regierungschefs gleich zu Beginn ihres Treffens heute Nachmittag aus dem Weg räumen. In seiner Einladung hat Ratspräsident Fredrik Reinfeldt angekündigt, dass in der ersten Arbeitssitzung die Verhandlungsposition der EU bei den Klimagesprächen in Kopenhagen festgezurrt werden soll. „Es ist klar, dass eine Einigung über die Finanzierung für das Zustandekommen eines Übereinkommens in Kopenhagen von zentraler Bedeutung ist.“

Damit hängt der amtierende EU-Ratspräsident die Latte sehr hoch. Denn an diesem Thema haben sich letzte Woche sowohl der Finanzministerrat als auch die EU-Umweltminister die Zähne ausgebissen. Zwei Streitpunkte sind offen. Zum einen wollen mehrere Länder, darunter Deutschland, nicht mit einem konkreten Hilfsangebot für die ärmeren Länder in die Verhandlungen gehen. Experten glauben, dass bis 2020 jährlich 100 Milliarden Euro für Klimaschutz in Entwicklungsländern investiert werden müssen. Der Umweltausschuss des Europaparlaments hatte gefordert, die EU solle davon 30 Milliarden jährlich übernehmen. Die EU-Kommission will zwischen 2 und 15 Milliarden einplanen. Die Finanzminister aber konnten sich auf gar keine Zahl einigen. Immerhin beschlossen die Umweltminister, dass Schiffs- und Flugverkehr in den Emissionshandel einbezogen und die Einnahmen für Klimamaßnahmen zur Verfügung gestellt werden sollen.

Bei dem zweiten Streit geht es um die interne Lastenverteilung in der EU. Das betrifft die Kopenhagener Konferenz nur indirekt, da Brüssel dort mit einem gemeinsamen Angebot aller EU-Länder auftreten wird.

Neun osteuropäische Länder wollen ihre ungenutzten Verschmutzungsrechte aus dem Kioto-Protokoll auf die Zeit nach 2012 übertragen dürfen. Nach Schätzung der EU-Kommission geht es um Zertifikate für etwa 2 Milliarden Tonnen CO2. Sie sind übrig, weil die Industrieleistung in diesen Ländern nach 1990 stark zurückgegangen ist. Gutschriften für weitere 6 bis 8 Milliarden Tonnen sollen die Ukraine und Russland halten.

Wenn diese Länder, die mit Kohlekraftwerken und veralteten Industrien stark zur Luftverschmutzung beitragen, in Kopenhagen einen Blankoscheck erhalten würden, wäre das für die Schwellenländer ein verheerendes Signal, glaubt der grüne Umweltexperte Claude Turmes. „Sie haben den Planeten verdreckt und wollen jetzt nicht die kleinste Verantwortung übernehmen – aus indischer oder chinesischer Perspektive ist das unverantwortlich!“, so der Europaabgeordnete.

Aus der Perspektive der anderen EU-Länder bedeutet es, dass sie entsprechend mehr CO2 einsparen müssten, um polnische oder tschechische Dreckschleudern auszugleichen. Dazu sind die meisten allerdings nicht bereit. DANIELA WEINGÄRTNER