Der bayerischeTrump

Sie übernehmen rechtsextreme Narrative, verachten europäische Prinzipien und setzen auf fragwürdige Partner: Seehofer und seine Leute machen die CSU zur Tea Party der Union

Ähnlich wie der Egomane im Weißen Haus redet die CSU eine düstere, apokalyptische Parallelwelt herbei

Von Ulrich Schulte

Horst Seehofers CSU rutscht in einen aggressiven Populismus à la Trump ab. Zu diesem Schluss muss man kommen, wenn man wörtlich nimmt, was Politiker wie Seehofer, Dobrindt und Söder sagen und tun. Ihnen allein Taktik zu unterstellen, um die absolute Mehrheit in Bayern zu retten, hieße, die Gefahr zu unterschätzen, die von ihnen ausgeht. Nein, die von der CSU meinen das ernst.

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt und Ministerpräsident Söder übernehmen rechts­ex­treme Narrative, wenn sie über Flüchtlinge sprechen. Sie fabulieren von „Anti-Abschiebe-Industrie“ und „Asyltourismus“ und diffamieren so die Tatsache, dass Geflüchtete über geschützte Rechte verfügen. Solche Verachtung von Minderheiten kennt man von Trump. Ähnlich wie der Egomane im Weißen Haus redet die CSU eine düstere Parallelwelt herbei, in der es um ein apokalyptisches „Wir gegen die“ geht.

Mit der Realität haben die Mythen der CSU nichts zu tun. Nur noch wenige Menschen kommen an den Grenzen an. Drei Jahre nachdem rund eine Million Flüchtlinge kamen, geht es Deutschland so gut wie nie. Die Wirtschaft steht blendend da, die Arbeitslosenzahl ist niedrig, es gibt weniger Kriminalität, und erstaunlich viele Flüchtlinge haben Arbeit gefunden. Doch solche Fakten interessieren die CSU nicht, weil sie ihrem Szenario vom Untergang des Abendlandes zuwiderlaufen.

Wie Trump hat sich auch die CSU von dem Gedanken verabschiedet, dass politische Ankündigungen umsetzbar sein sollten. Der Islam gehört nicht zu Deutschland? Folgenlose Ausgrenzungsrhetorik. Die An­ker­zentren? Die Bundesländer machen nicht mit. Die CSU-Idee, Flüchtlinge an der deutschen Grenze abzuweisen, widerspricht europäischem Recht. Sie wäre auch kaum realisierbar, weil sich Tausende Kilometer grüne Grenze selbst mit noch so viel Bundespolizei nicht überwachen lassen.

Trump verachtet komplexe internationale Abkommen, er glaubt an Deals und das Recht des Stärkeren. Bayerns Ministerpräsident Söder tönte am Donnerstag, dass in Europa und der Welt die Zeit des geordneten Multilateralismus zu Ende geht – und dass in Zukunft einzelne Nationen Entscheidungen treffen. Mit solchen Sätzen legt Söder die Axt an das Grundprinzip der EU, das auf Kompromisse setzt, die allen Mitgliedstaaten nutzen und einstimmig verabschiedet werden. Überzeugte Europäer wie Wolfgang Schäuble muss das anwidern.

Die CSU schert sich einen Dreck um ein solidarisches Europa. Man muss sich nur die Figuren anschauen, mit denen Seehofer die EU-Flüchtlingspolitik revolutionieren will. Italiens Innenminister Matteo Salvini ist ein Rechtsradikaler, der in der Vergangenheit die Rassentrennung von Einwanderern und Italienern in Eisenbahnwagen vorschlug. Er schickte neulich ein Rettungsschiff mit Flüchtlingen zurück aufs Meer – an Bord waren Schwangere und Kinder.

Österreichs Innenminister Herbert Kickl, ein fremdenfeindlicher Scharfmacher der FPÖ, segnete mal für einen Wahlkampf den Slogan „Wiener Blut – zu viel Fremdes tut niemandem gut“ ab. Seehofers Premiumpartner sind halbseiden und gefährlich, gießen Menschenverachtung in Politik. Trumps Mauer gegen Einwanderer, wenn sie sich denn an den Seegrenzen der EU bauen ließe, ist da nicht mehr weit.

Der Erfolg der AfD ist also nicht die einzige gefährliche Entwicklung in der deutschen Politik. Mindestens ebenso gefährlich ist der vergebliche Versuch der CSU, die Rechtspopulisten mit ihren eigenen Mitteln zu bekämpfen. Indem die CSU die AfD kopiert, installiert sie eine Art Trumpismus in der Bundesregierung. Die Folgen können schrecklich sein, sie könnten weit mehr als den Sturz einer Kanzlerin bedeuten.

In den USA lässt sich besichtigen, was aus einer großen, alten konservativen Partei wird, die sich nicht gegen aggressive rechte Bewegungen absetzt. Seehofers CSU droht zur Tea Party der Union zu werden.