Stadtgespräch
Ralf Leonhard aus Wien
: Wenn der BND bei den österreichischen Freunden abhört

Hannes Androsch nahm die Nachricht gelassen: „Abgehört wurde ich schon von der DDR, vom tschechoslowakischen Geheimdienst und von der eigenen Staatssicherheit. Da kann ich über diese Nachricht nur noch schmunzeln.“ Der Unternehmer, der in den 1970er Jahren unter Kanzler Bruno Kreisky als Vizekanzler und Finanzminister diente, weiß angesichts der Berichte, er sei vom BND abgehört worden, nicht, „ob ich mich geschmeichelt fühlen soll. Ein freundschaftlicher Akt ist das natürlich nicht.“

Seit die Tageszeitung Der Standard und das Wochenmagazin profil vor einer Woche über die Lauschangriffe des deutschen Geheimdienstes in Österreich berichteten, macht ein altes Merkel-Zitat die Runde: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“ Die Kanzlerin hatte im Herbst 2013 entrüstet reagiert, als bekannt wurde, dass US-Spio­ne sogar ihr privates Handy angezapft hatten.

Beim österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, dem Nachrichtendienst des Innenministeriums, zeigte man sich wenig überrascht. Denn dass der BND zumindest von 1999 bis 2006 in Österreich alle möglichen Ziele belauscht hatte, war bekannt. Obwohl also zum Erstaunen kein Anlass war, rückten Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kanzler Sebastian Kurz in einem Auftritt aus, um von Merkel Aufklärung zu verlangen.

Doch es war nicht klar, um welche Ziele es ging. Laut den zugespielten Dokumenten sind rund 2.000 Telefone und Faxe in Österreich ausspioniert worden. Neben Regierungsstellen auch Vertreter der Zivilgesellschaft, Unternehmen sowie die in Wien ansässigen internationalen Organisationen. Was außerdem bisher noch nicht bekannt ist: Hat der BND nur Verbindungen ausgespäht oder Gespräche und E-Mail-Kommunikation auch inhaltlich erfasst? In dem Fall würde sich der Vorwurf der Wirtschaftsspionage aufdrängen.

Eines der in den Dokumenten erwähnten Unternehmen ist die Wiener Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft AIC Androsch International Manage­ment Consulting GmbH. Der inzwischen 80-jährige Androsch erinnert sich, dass er damals zweimal im Iran gewesen sei. Neben der Wiener Botschaft des Mullahstaates, der Ständigen Vertretung Irans bei den Vereinten Nationen und den Büros von Iran Air „führt die BND-Liste auch mehrere österreichische Firmen, die zum Zeitpunkt der Erfassung iranische Gesellschafter hatten und/oder rund um den Persischen Golf tätig waren“, berichtet profil. Besonderes Inte­resse zeigten die deutschen Schlapphüte an Österreichs Waffenschmieden.

Ein klarer Fall für Peter Pilz, den ehemaligen Grünen und Geheimdienstspezialisten, der nach Vorwürfen sexueller Belästigung gerade erst ins Parlament zurückgekehrt war. Er kündigte an, er werde „den vollkommen unkundigen Herrschaften“ von Bundeskanzler Kurz abwärts die Sachlage erklären. Er habe schon 2015 die Spionage des BND im Auftrag der US-Geheimdienste CIA und NSA aufgedeckt und angezeigt.

Da konnte die oppositionelle SPÖ nicht untätig bleiben und trommelte Anfang der Woche den Nationalen Sicherheitsrat zusammen, um das Vorgehen in der Affäre abzustimmen. Heraus kam ein Dokument der Hilflosigkeit. Die deutschen Spio­ne ließen derweil via Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten, alles sei im Rahmen der Gesetze gelaufen. Also stellte der Nationale Sicherheitsrat fest, man halte „ein derartiges Verhalten von einem Nachbar- und EU-Mitgliedsstaat, mit dem freundschaftliche Beziehungen gepflegt werden, für deplatziert“. Und – wünschen wird doch noch erlaubt sein! – man gehe davon aus, „dass ein derartiges Verhalten von der Bundesrepu­blik Deutschland sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe unterbunden wurde“.