Veddel-Bomber gesteht

Im Prozess um die Explosion legte der Angeklagte ein Teilgeständnis ab, von den Schrauben will er aber nichts gewusst haben. Kontakte zur rechten Szene habe er nicht

Tatort S-Bahnhof Veddel: Hier zündete K. die Böller Foto: Daniel Bockwoldt

Von Andreas Speit

Stephan K. hat zugegeben, dass er am 17. Dezember 2017 auf einem Bahnsteig des S-Bahnhofs Veddel eine Explosion herbeigeführt hat. Am Mittwochvormittag erklärte sein Verteidiger Andreas Mosenheuer vor dem Landgericht Hamburg, sein Mandant habe jedoch keinen Sprengsatz mit Schrauben zur Explosion gebracht, um gezielt Menschen zu töten oder zu verletzen. Als er seinem Mandanten die Anklage „wegen vorsätzlichem Mordes“ vorgetragen habe, sei der „wie vor den Kopf gestoßen“ gewesen.

Um kurz nach 9 Uhr hatte im Saal 139 des Landgerichts das Verfahren begonnen. Hinter Sicherheitsglas saßen alle Prozessbeteiligten. Recht angestrengt hörte K. – mit einer frisch rasierten Glatze – der Staatsanwältin zu. Sie hielt dem 52-Jährigen ohne festen Wohnsitz vor, am 17. Dezember 2017 auf einem Bahnsteig des S-Bahnhofs Veddel unter einer Sitzreihe eines verglasten Windschutzes eine Plastiktüte abgestellt zu haben, die mit zwei pyrotechnischen Sprengkörpern und mit mindestens 73 Montageschrauben befüllt war.

Als eine S-Bahn einfuhr und sich zahlreiche Fahrgäste auf dem Bahnsteig befanden, entzündete K. einen der Sprengkörper und begab sich in den Bahnwaggon. Eine Stichflamme schoss etwa zwei Meter hoch, der Feuerball verfehlte einen Passanten nur knapp, ein Fahrgast erlitt ein Knalltrauma. Die Schrauben flogen vier Meter umher, sagte die Staatsanwältin.

Die Richterin ließ Überwachungsvideos vorführen. Sie belegen die starke Detonation und zeigen, wie Menschen weglaufen. K. streitet nicht ab, den sogenannten Polenböller gezündet zu haben. Er wollte die Leute bloß erschrecken, ließ er seinen Anwalt vortragen. Dass diese Böller solch eine Sprengkraft haben, hätte er erst bei der Polizei erfahren.

An jenem Sonntag will er sie von einem Kumpel namens „La Bomba“ in Harburg erhalten haben. Den richtigen Namen wisse er nicht, den Spitznamen habe er ihm aber gegeben, da sie am Rathaus und bei Netto schon öfters Biere getrunken und über Bomben geredet hätten. Das Geschenk wollte er jedoch nicht in seinen Rucksack stecken, sodass „La Bomba“ ihm zwei Tüten für die Böller gab. Als er dann nach Altona gefahren sei, um Pfandflaschen abzugeben, habe er schon etwa zehn Bier getrunken gehabt. Auf dem Weg entschied er sich aber anders und fuhr auf die Veddel. Hier sei ihm die Idee gekommen, die Leute jetzt gleich und nicht erst Silvester mit den Böllern zu erschrecken. Von den Schrauben will er nichts gewusst haben. So schwer seien die Tüten auch nicht gewesen. „Heute ist mir das peinlich“, gab Mosenheuer ihn wieder.

Mosenheuer kritisierte, dass über eine mögliche rechtsex­tremistische Motivation seines Mandanten spekuliert worden sei. Der Hintergrund: Vor 25 Jahren war K. wegen der brutalen Tötung eines 53-Jährigen, der Adolf Hitler als Verbrecher bezeichnet hatte, zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Mit einem damals 19-jährigen Skinhead-Kameraden hatte er in Buxtehude auf den ehemaligen Kapitän Gustav Schneeclaus so stark mit Springerstiefeln eingetreten, dass dieser drei Tage später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlag. Sein Mandant, sagte Mosenheuer, habe seit vielen Jahren jedoch keinen Kontakt mehr zur rechten Szene.

Eine Stichflamme schoss etwa zwei Meter hoch, der Feuerball verfehlte einen Passanten nur knapp, ein Fahrgast erlitt ein Knalltrauma

Dass die Staatsanwaltschaft Berichte über die frühere Verurteilung bestätigt habe, sei unverantwortlich, sagte Verteidiger Mosenheuer weiter. Dass man auch rechtes Gedankengut haben kann ohne rechte Kameraden zu haben, erwähnte der Anwalt jedoch nicht. Auch nicht, dass auf der Veddel rund 70 Prozent der AnwohnerInnen einen Mi­grationshintergrund haben.

Noch am Vormittag beantragte Verteidiger Mosenheuer die Aussetzung des Prozesses und Haftentlassung. Denn sein Mandant habe nicht vorsätzlich eine Splitterbombe gezündet und das Gericht habe es nicht innerhalb der angesetzten Verhandlungstermine geschafft, einen Gutachter für die Sprengwirkung zu finden.

Am Mittag lehnte das Gericht die Anträge ab. Bis September wurden neue Termine festgelegt.