Esther Slevogt
betrachtet das Treiben
auf Berlins Bühnen
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Es sind die längsten Tage des Jahres, die wir gerade durchleben. Da ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch das Nachtleben noch in Tageslicht getaucht ist – wir also im Hellen losgehen und im Hellen auch zurückkehren, ins Bett oder wohin auch sonst immer. Zu weißen Nächten wie diesen passt es gut, dass die Neuköllner Oper ihr hinreißendes Musical „Affe“ von 2016 wieder aufgenommen hat: eine schräge Geschichte über Gedächtnisverlust, die um die Lieder des Peter-Fox-Albums „Stadtaffe“ herumgebaut ist. Das Album ist zwar schon zehn Jahre alt, doch es ist schön, sich noch einmal an das Lebensgefühl zu erinnern, das in diesen Liedern (immer noch) lebt. In Berlin nicht mehr so sehr, denn die Stadt voller Affen kennt inzwischen keine gelungenen Partys mehr. Hat die Unbeschwertheit verloren, mit der wir uns einmal in ihr Leben stürzen konnten. Das von Fox so empathisch besungene „Schwarz zu Blau“ ist einem verwaschenen Grau gewichen. (Neuköllner Oper: „Affe“, 3. & 4. 7., jeweils 20 Uhr).

Dafür hat Lars Eidinger gerade mal wieder Zeit, in dieser Stadt Theater zu spielen, und flugs hat die Schaubühne ihre Eidinger-Blockbuster kurz vor der Sommerpause noch mal auf den Spielplan gesetzt. Letzte Woche Richard III. Jetzt kann man „Hamlet“ wieder sehen, ein ziemlich aufregender Abend (und auch schon zehn Jahre alt!), den schon die Regen- und Matschorgie am Anfang zum Ereignis macht. Das ist die Szene, als der ermordete Vater Hamlets begraben werden soll, und sich die intrigante Hofgesellschaft eine Wasserschlacht liefert, in der Hamlet fast untergeht. (Schaubühne: „Hamlet“, 5.–8. 7., jeweils 19.30 Uhr).

Der Tod des alten König Claudius, also von Hamlets Vater, war nicht ganz freiwillig. So wie überhaupt der Tod nie wirklich aus eigener Entscheidung heraus erfolgt. Im Gegenteil: In unserer Kultur ist der Freitod sogar verpönt. Anders soll das in Japan sein, wie man in der Vorankündigung zu einem Theaterabend lesen kann, der am 4. Juli in der Vierten Welt Premiere hat: Urheberin ist unter anderem die japanische Regisseurin Ren Saibara, die nun ein „Suicide-Hotel Nirwana“ eröffnet, um damit die kulturellen Unterschiede in dieser Frage zu beleuchten. Dem Vernehmen nach ist eine „philosophisch unterwanderte Science-Fiction Komödie“ um ein Start-Up-Unternehmen geplant, das (auf der Basis des japanischen Bestsellers „The Complete Manual of Suicide“ von Wataru Tsurumi) fernab der leistungsorientierten Gegenwart einen Raum für eine „ehrwürdige Selbstbestimmung über das eigene Leben“ erschließen will. (Vierte Welt: „Suicide-Hotel Nirwana“, 4./5. 7., 7.–9. 7. jeweils 20 Uhr).