Die Ukraine spielt plötzlich mit in Russland

Ein virtueller Flashmob aus der Ukraine bewertet die Fifa auf Facebook dieser Tage in Grund und Boden. Derweil wünscht ein kroatischer Nationalspieler der Ukraine Ruhm

Putin einmal anders: nicht oben ohne, ohne Pferd und Angel, sondern als Menschenrechtsaktivist, der für die Freilassung inhaftierter ukrainischer Bürger*innen eintritt Foto: Serg Glovny/Zumapress/picture alliance

Von Andreas Rüttenauer

Die Fifa steht unter Beschuss. Bei Facebook wird der Internationale Fußballverband in Grund und Boden bewertet. Während sich dessen Präsident Gianni Infantino und Russlands Staatschef Wladimir Putin gegenseitig auf die Schulter klopfen und sich für die allerbeste WM aller Zeiten lobpreisen, sinkt das Rating der Fifa auf Facebook ins Bodenlose.

Es ist ein virtueller Flashmob aus der Ukraine, der da auf der Facebook-Seite der Fifa stattfindet. Weit mehr als 100.000 Menschen haben seit Montagabend den Auftritt der Fifa bei Facebook mit nur einem von fünf möglichen Sternen bewertet. Am Dienstagmittag stand es noch bei 1,2 Sternen. Die Fifa wird von der Ukraine aus aufgemischt. Der Propagandakrieg, der die blutigen Kämpfe zwischen Russen und Ukraineren um den Donbass seit je begleitet, hat den Fußball erreicht.

„Slava Ukrajni! Glory to Ukraine!“, so lauten die meisten Kommentare der sich selbst formierenden Internetarmee aus der Ukraine. Manchmal ist noch von Korruption die Rede und das Wort Mafia fällt auch regelmäßig. Doch das sind Nebenschlachtfelder. Der Shitstorm wurde ausgelöst, nachdem der Weltverband die Äußerungen des kroatischen Nationalspielers Domagoj Vida nach dem Viertelfinalerfolg gegen Russland als unsportlich bezeichnet hatte und dem Verband dafür eine Strafe von 15.000 Dollar aufgebrummt hat.

„Slava Ukrajni!“, hatte Vida zusammen mit dem Teambetreuer Ognjen Vukojevic in eine Handykamera gegrölt und den Sieg der Ukraine und seinem Ex-Verein Dynamo Kiew gewidmet. Weil die Kroaten den Teambetreuer, der in seiner Zeit als Spieler auch mal bei Dynamo Kiew unter Vertrag war, nach Hause geschickt hätten, sei die Strafe nicht höher ausgefallen, ließ die Fifa mitteilen.

Zudem wird über ein weiteres Handyvideo diskutiert, in dem ein offensichtlich schwer betrunkener Vida „Ruhm der Ukraine!“ brüllt. Dann sagt er noch „Belgrad brenne!“

In der Ukraine will man indes gar nicht einsehen, warum es überhaupt eine Strafe nach sich zieht, wenn jemand der Ukraine Ruhm wünscht. Der ukrainische Fußballverband hat in einem Schreiben an die Fifa eine kleine historische Erläuterung der Losung gegeben und Partei für Vida ergriffen. Während für die russischen Medien klar ist, dass es sich bei der Losung um einen faschistischen Gruß aus der Zeit der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung handelt, erklärt der Fußballverband den Ruhmeswunsch für harmlos.

„‚Slava Ukraini‘ ist eine gebräuchliche Grußformel in der Ukraine, die mit den Worten ‚Ruhm den Helden!’ beantwortet wird“, heißt es in dem Schreiben des Ukrainischen Verbands an die Fifa. Die Ukraine spielt plötzlich mit in Russland. Da gibt es wütende Kommentare auf den Sportportalen und in den Fußballmagazinen. Der Sport-Express verkauft seine neue Ausgabe mit dem Satz: „Politik hat im Fußball keinen Platz.“

Derweil wird über ein weiteres Handyvideo diskutiert, in dem ein offensichtlich schwer betrunkener Vida „Ruhm der Ukraine!“ brüllt. Dann sagt er noch „Belgrad brenne!“ Wütende Kommentare ließen nicht lange auf sich warten, und viele wollten nicht glauben, dass es sich dabei nicht um den Aufruf zum Marsch auf Belgrad handelt. In Kiew gebe es eine Kneipe, die „Belgrad“ heißt, und Vida habe dem Wirt mit dem Satz nicht mehr sagen wollen, als dass er ihm eine rauschende Party wünsche, so die Version aus dem ­kroatischen Lager. Auf den Empfang der Kroaten durch das ­russische Publikum am Mittwoch im Moskauer Luschniki-Stadion darf man nach dieser Propaganda-Posse jedenfalls gespannt sein. Ob und wie es der Fifa gelingt, den Shitstorm auf Facebook wieder einzufangen, ist gewiss ebenso interessant.