Italien lässt Flüchtlinge an Land

Nachdem fünf EU-Länder zugesagt hatten, Schiffbrüchige aufzunehmen, durften sie in Sizilien von Bord gehen. Italiens rechter Innenminister Matteo Salvini feiert die Verteilung als „politischen Sieg“

Von Christian Jakob

Zum dritten Mal in Folge durften Schiffbrüchige im Mittelmeer nur in einen sicheren Hafen anlaufen, nachdem sich EU-Staaten zuvor zur Aufnahme der Geretteten bereit erklärt hatten. Italien hatte der „Protector“ der britischen und der „Monte Sperone“ der italienischen Küstenwache mit rund 450 Menschen nach der Rettung am Freitag zunächst die Einfahrt verweigert. Unter anderem Deutschland hatte daraufhin eingewilligt, 50 Menschen aufzunehmen. Auch Italien selbst, Frankreich, Malta, Portugal und Spanien erklärten sich bereit, je 50 Migranten aufzunehmen. Inzwischen konnten die Menschen in Sizilien an Land gehen, bis zum frühen Montag hatten alle das Schiff verlassen.

Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega sprach nach den Zusagen der EU-Länder von einem „politischen Sieg“. „Ich würde sagen, dass wir Europa mit Taten und nachhaltigen Vorschlägen aufgeweckt haben“, sagte Außenminister Enzo Moavero Milanesi. „Wir haben die EU-Partner aufgefordert, tätig zu werden. Nun gibt es ein Resultat.“

Die Modalitäten der Aufnahme sind unklar. Innenministerium, BAMF und Auswärtiges Amt sagten am Montag auf Anfrage nichts. Offenbar hatte die Bundesregierung die Aufnahme zugesagt, nachdem Italiens Innenminister Matteo Salvini persönlich in Berlin angerufen hatte. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag, alle damit zusammenhängenden Fragen würden nun im Einvernehmen mit Italien und gegebenenfalls internationalen Organisationen geklärt.

Ähnlich war der Fall des deutschen Rettungsschiffes „Lifeline“ gelagert, das am 27. Juni 234 Menschen nach Malta gebracht hatte. Hier war mit den europäischen Aufnahmestaaten vereinbart worden, dass nur solche Flüchtlinge weiter verteilt werden, die zuvor in Malta einen Asylantrag stellen.

Die EU-Kommission kritisierte am Montag Italiens Verhalten als „nicht zukunftsfähig“. Italien fordere „seit Langem zu Recht eine regionale Kooperation bei der Ausschiffung von Migranten“, sagte ein Sprecher. Ad-hoc-Lösungen wie die jüngste würden aber langfristig nicht funktionieren. Es brauche einen neuen Vorstoß für echte europäische Lösungen.

Der EU-Abgeordnete Elmar Brok, außenpolitischer Koordinator der Europäischen Volkspartei (EVP) sagte, dass Deutschland in der jetzigen Situation an der Dublin-Verordnung festhalte. Die sieht vor, dass Asylbewerber in dem EU-Land bleiben müssten, in dem sie zuerst registriert wurden. Das sei „ein Stück unfair gegenüber Italien.“ Die Verteilung der Flüchtlinge an Bord der beiden Militärschiffe sei „im Prinzip richtig“, so Brok. Allerdings werde nur auf Länder verteilt, die ohnehin Flüchtlinge aufnehmen. Die Länder Mittel- und Osteuropas hingegen nähmen keine Menschen auf.

Unterdessen wenden sich Teile der italienischen Küstenwache gegen Salvinis Politik. Die Tageszeitung Avvenire berichtet am Sonntag von „Anzeichen eines Bruchs zwischen Regierung und Uniformen“. Offiziere der Küstenwache hätten Salvinis Anweisungen zur Einschränkung der Seenotrettung kritisiert. Die Küstenwache sehe sich „in ihrem Stolz und bei ihrem humanitären Auftrag“ verletzt, so die Zeitung.

Unterdessen kam der in Malta angeklagte deutsche Kapitän der Seenotretter von Mission Lifeline, Claus-Peter Reisch am Montag nach Deutschland. Das Gericht in Malta hatte ihm aus familiären Gründen eine Ausreise bis 29. Juli gewährt. Reisch forderte den Rücktritt von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser wolle „Menschen auf dem Mittelmeer ertrinken lassen und Rettungskräfte vor Gericht stellen, er ist ein Täter, er gehört vor Gericht, er muss zurücktreten“.

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