Kommentar von Susanne Knaul über Israels neues Nationalstaatsgesetz
: Völlig unnötige Spaltung

Im Staat Israel ist es um das jüdische Selbstbewusstsein nicht gut bestellt. Zwar prangt auf der nationalen Flagge ein David-Stern, und zum Abschluss staatlicher Zeremonien singt man die Hatikwa, die Hymne, die von der Hoffnung des jüdischen Volkes und von Zion erzählt. In öffentlichen Gebäuden wird strikt auf die koschere Trennung von Fleischigem und Milchigem geachtet, und am heiligen Sabbat stoppen Busse und Züge.

Nichtsdestotrotz macht sich Panik breit im Land. Der jüdische Charakter scheint vielen so sehr bedroht, dass es gar ein neues Grundgesetz braucht. Arabisch wird fortan nicht mehr Landessprache sein. David Ben-Gurion muss sich in seinem Grabe winden. Für den ersten Regierungschef Israels war die Gleichberechtigung aller Bürger zentraler Pfeiler des jungen Staates.

Das neue Grundgesetz zielt durch die dadurch ermöglichte Gründung von ethnisch und religiös homogenen Ortschaften aber auch auf eine stärkere Trennung von Arabern und Juden. Die kulturellen Unterschiede lassen schon heute religiöse Gruppierungen auf Abstand zueinander gehen. Gemischte Schulen der verschiedenen Konfessionen sind rar, und Mischehen werden auf beiden Seiten verpönt.

Der Staat sollte sich hingegen ein verstärktes Miteinander der Bevölkerungsgruppen zum Ziel setzen. Ohne eine Vermischung werden sozioökonomische Kluften bleiben und der Zorn der benachteiligten arabischen Minderheit auf das jüdische Establishment wird nur noch wachsen.

Kaum 20 Prozent der Gesamtbevölkerung sind christliche und muslimische Araber. Dass sie den Judenstaat in seiner Identität bedrohen sollen, ergibt keinen Sinn. Die Herabstufung der Nichtjuden in der Hierarchie der Bürger schafft völlig unnötig böses Blut.

Gefahr für die Jüdischkeit Israels entsteht vielmehr durch den Mangel an jeglicher Friedenspolitik. Einen kleinen, aber jüdischen Staat hatte Jitzhak Rabin vor Augen, als er vor 25 Jahren dem PLO-Chef Jassir Arafat die Hand zum Frieden reichte. Doch Jerusalems Regierung hat inzwischen Abschied genommen von der Zweistaatenlösung. Teile der Koalition drängen offen zur Annexion von Teilen des besetzten Westjordanlandes, die palästinensische Bevölkerung inklusive. Schon jetzt halten sich Araber und Juden, die zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer leben, zahlenmäßig die Waage. Eine Einstaatenlösung würde auf kurz oder lang das Ende der jüdischen Mehrheit bedeuten. Jüdisch oder demokratisch ist dann die Frage, vor der die Regierung Israels gestellt sein wird. Das neue Grundgesetz zeigt, wohin die Reise geht.

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