Höllischer Kulturwandel bei Billigflieger Ryanair

130 Millionen Passagiere nutzen jährlich Europas größte Airline – doch Gewerkschaften sind dort bislang verpönt. Das ändert sich gerade. Dafür wird erst mal kräftig gestreikt

Große Airline, große Arbeitnehmerprobleme: Ryanair-Flugzeuge in London Stansted Foto: Gustavo Valiente /i-Images /Polaris/laif

Von Kai Schöneberg

Die Mallorca Zeitung twitterte es gestern „exklusiv“: „Ryanair-Vorstand Michael O’Leary hat sich in Palma einen Stadt­palast für über 10 Millionen Euro gekauft – die spanischen Flugbesatzungen bereiten sich derweil auf den #ryanairstrike vor“. Und nicht nur die: Neben den spanischen legen am kommenden Mittwoch und Donnerstag auch die portugiesischen und belgischen Bordcrews die Arbeit nieder. Sie fordern „faire, existenzsichernde Gehälter“, mehr Krankengeld und Verträge, die sich am örtlichen, nicht an irischem Recht orientieren. Europas größte Airline musste insgesamt 600 Flüge absagen, rund 12 Prozent des täglichen Angebots. Die rund 100.000 betroffenen Passagiere wurden angeblich per Mail oder SMS informiert. Ob und wie Flüge von und nach Deutschland betroffen sind, wollte der Billigflieger am Donnerstag nicht sagen.

130 Millionen Passagiere nutzten 2017 Europas größte Airline – doch Arbeitnehmervertreter waren bislang nie an Bord. Noch im vergangenen September hatte Konzernchef O’Leary gesagt, eher friere die Hölle zu, als dass Ryanair mit Gewerkschaften verhandele. Da sich Piloten und Flugbegleiter zunehmend in Gewerkschaften organisieren und vernetzen, durchlebt die Airline gerade einen höllischen Kulturwandel.

Das Unternehmen hatte im Herbst und Winter 20.000 Flüge streichen müssen – nach eigener Darstellung wegen eines „Planungsfehlers“ beim Urlaub der Piloten. Tatsächlich hatte es offenbar zu viele Kündigungen gegeben. O’Leary hat nun allein in diesem Geschäftsjahr 112 Millionen Euro zusätzlich an Personalkosten für seine gut 13.000 Beschäftigten eingeplant.

Den Arbeitnehmervertretern geht es nicht ausschließlich ums Geld, sondern auch um humanere Bedingungen: Ryanair-Flugbegleiter klagen, weil sie während ihrer Arbeit für selbst konsumierte Getränke an Bord zahlen müssen. Zudem sollen sie auch bei Krankheit zunächst zur Arbeit erscheinen, um schriftlich Auskunft über ihre Symptome zu geben. Ryan­air betont hingegen, die Stewardessen und Stewards hätten mit die besten Arbeitsbedingungen der Billigflieger-Branche, dazu gehörten Jahresgehälter von bis zu 40.000 Euro.

Im vorigen Dezember startete der Aufstand der Arbeitnehmer mit einem ersten Pilotenwarnstreik in Deutschland. Zu Ostern folgten tagelange Ausstände der Kabinencrews in Portugal, nun folgen – mitten in der Hauptreisezeit – weitere Arbeitskämpfe. In Irland streikten bereits am vergangenen Donnerstag etwa 100 Ryan­air-Piloten, 30 Verbindungen wurden gestrichen. An diesem Freitag muss die Airline wegen Streiks der Flugkapitäne 24 Verbindungen zwischen Irland und Großbritannien annullieren.

Für Deutschland bestätigte Ryanair am Donnerstag eine Vereinbarung mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi über die Aufnahme von Tarifverhandlungen für Flugbegleiter. Es ist die dritte Vereinbarung für diese Beschäftigungsgruppe nach Übereinkünften mit Gewerkschaften in Italien und Großbritannien. Nun sollen „zügig“ Tarifverträge abgeschlossen werden. Für mehr als 60 Prozent des Personals in diesem Bereich liefen damit die Verhandlungen, erklärte Personalchef Eddie Wilson. Für die 700 hier stationierten Flugbegleiter führt auch die konkurrierende Gewerkschaft Ufo derzeit mit Ryanair Gespräche, ist aber noch nicht als Verhandlungspartner anerkannt.

Und es geht weiter: Die deutschen Ryanair-Piloten wollen Ende Juli sogar noch über einen unbefristeten Streik abstimmen. Sie fordern die gleichen Bedingungen wie die Kollegen bei der Konkurrenz von Tuifly oder Easyjet.