heute in hamburg
: „Religion als Werkzeug für Macht“

Foto: privat

Thint Myat, 22, ist studentischer Aktivist und Anarchist aus Yangon (Myanmar).

Interview Mareen Butter

taz: Herr Myat, Myanmar wurde bis vor Kurzem von einer Militärdiktatur regiert. Wie können Sie hoffen, Anarchismus im Land zu etablieren?

Thint Myat: Wir sind eine Gruppe von Studierenden, die von den Idealen des Anarchismus lernt. In Myanmar weiß niemand wirklich, was Anarchismus ist. Also versuchen wir, die Philosophie bekannt zu machen, indem wir die Ideen über Social Media verbreiten.

Seit 1948 gab es in Myanmar Bürgerkriege. Warum gehen sie nicht zu Ende?

17 Jahre lang galt ein Waffenstillstandsabkommen zwischen der Militärregierung und den muslimischen Rohingya-Rebellen. Das Abkommen war der erste Schritt zum Frieden, es wurde gebrochen, als das Militärregime 2011 begann, das Gebiet der Freiheitskämpfer zu besetzen. 2015 endete die Militärdiktatur. Bei der ersten offiziellen Wahl gewann die Oppositionspartei mit 90 Prozent der Stimmen. Die Menschen hofften, dass der Machtwechsel Frieden zwischen dem Militär und den Minderheiten bringen würde, aber so kam es nicht. Die Verhandlungen liefen weiter, doch gleichzeitig schickte das Militär seine Truppen, um die Rebellengruppen zu vernichten. Bei den Friedensverhandlungen geht es mehr darum, Druck auf die Rebellen auszuüben, als einen Kompromiss zu finden.

Die Mehrheit der Bevölkerung Myanmars und einige der bewaffneten Gruppen sind Buddhisten. Sie gelten normalerweise als friedliebend. Ist das ein Vorurteil?

Vortrag (in englischer Sprache)„Soziale Bewegungen und Anarchismus in Myanmar“: 19 Uhr, Libertäres Kultur- und Aktionszen­trum Schwarze Katze, Fettstraße 23.

Das ist schwer zu verallgemeinern. Das Problem ist die aktuelle Regierung. Sie versucht, den Buddhismus zur einzigen Religion des Landes zu machen – nicht offiziell, aber auf ihre schmutzige Art und Weise. Ich würde sagen, Religion ist nur ein Werkzeug, um in diesem nicht-säkularen Staat Macht aufzubauen.

Unterscheiden sich die Studierendenbewegungen in Myanmar von jenen in der westlichen Welt?

Ja. Studierendenbewegungen in Europa und den USA kämpfen für kostenlose Bildung. In Myanmar ist Bildung fast kostenlos, aber wir haben ein korruptes System. Die Bildung wurde systematisch von der Militärregierung zerstört, um die Bürger dazu zu bringen, der herrschenden Klasse zu gehorchen. Schulliteratur ist zum Beispiel gefälscht. Also ist die Sache, für die wir kämpfen, anders.